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Gastbeitrag: Wie Deutschlands Verwaltung zukunftsfähig wird

Effizienz und Transformation in der Verwaltung sind zentrale Herausforderungen, denen sich moderne Staaten stellen müssen. Doch während einige auf radikale Vorbilder wie Elon Musk und seine umstrittenen Ansätze blicken, bleibt oft unbeachtet, welche Ideologie und Konsequenzen dahinterstehen. Musk verkörpert eine libertäre Vision, die nicht nur die Rolle des Staates infrage stellt, sondern auch grundlegende soziale Sicherungssysteme bedroht. Musks Herangehensweise kann kein Vorbild für die Verwaltungstransformation in Deutschland sein. Stattdessen müssen wir auf unsere eigenen Stärken und politischen Willen setzen, um einen handlungsfähigen Staat zu schaffen.

Musks Ideologie: Ein libertärer Angriff auf den Staat

Wer Musk und das von ihm künftig geleitete Departement of Government Efficiency (kurz: Doge, deutsch: Abteilung für eine effizientere Regierung) als Vorbild preist, ignoriert die Ideologie hinter seinem Vorhaben. Musk ist kein Verfechter einer liberalen Demokratie, sondern ein Libertärer, der vom Staat nicht viel hält – außer wenn es um Subventionen für seine Unternehmen oder lukrative Verträge für SpaceX geht. Einsparungen sind sein erklärtes Ziel, nicht Effizienz. Das zeigt sich daran, dass er etwa finanzielle Unterstützung für Gesundheitsversorgung und Veteranen streichen will. Seine Liste von Personen aus der Verwaltung, die er öffentlichkeitswirksam entlassen möchte, zeigt eine autoritäre Denkweise, die ebenfalls mit Effizienz nichts zu tun hat. Das ist die rechtspopulistische Verteufelung von „Bürokraten“, die nach der Verteufelung politischer Eliten im Weltbild dieser Leute nur folgerichtig scheint.

Zwischen Radikalität und Passivität: Ein handlungsfähiger Staat braucht mutige Politik

Dass Verwaltung effizienter werden muss, ist unbestritten. Doch auf Musk zu warten, um mögliche Erkenntnisse zu übernehmen, ist nicht nur naiv, sondern auch gefährlich. Deutschland hat keine Zeit, zuzuschauen. Unsere Verwaltung hat heute bereits 570.000 unbesetzte Stellen – bis 2030 könnte diese Zahl auf eine Million steigen. Das wäre für einen Staat, der im internationalen Vergleich ohnehin wenig Verwaltungspersonal pro Kopf hat, verheerend.

Wir haben allerdings auch nicht viel Zeit, um auf Ergebnisse der Arbeitsgruppen unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Steinmeier zu warten. So ehrenwert das Engagement aller Beteiligten ist und so gut ich es finde, dass sich des Themas auf dieser Ebene von Personen mit einem gewissen Renommee angenommen wird. Unsere Antwort auf die Herausforderung muss irgendwo zwischen einem autoritären Libertären liegen, der von Verwaltung und Bürokratie nichts hält, und einer Kommission, die leider abseits des aktiven politischen Handelns arbeitet. Das bedeutet daher für die nächste Regierungskoalition, dass sie zwingend das Thema Verwaltungstransformation ganz oben auf die Prioritätenliste setzen muss.

Aber nicht nur das, es braucht auch jemanden, der bereit ist, sein oder ihr politisches Gewicht in die Waagschale zu werfen, um die notwendigen und zeitlich drängenden Veränderungen voranzubringen, die zu einem leistungs- und handlungsfähigen Staat führen. Dabei dürfen alle künftigen Minister:innen nicht vergessen, dass eine leistungsfähige Verwaltung Grundlage dafür sein wird, ob sie ihre politischen Vorhaben überhaupt umsetzen können und zeitnah, wirkungs- und nutzerzentriert zu den Bürger:innen oder den Unternehmen zu bringen.

Effizienz statt Abbau: der leistungsfähige Staat ist das Ziel

Das bedeutet auch, dass klar werden muss – auch in der politischen Kommunikation im Wahlkampf –, dass Bürokratieabbau allein kein Ziel sein kann. Vielmehr wird es ein Produkt sein, das beim Erreichen des eigentlichen Ziels mit abfällt. Und dieses Ziel muss ganz konkret der leistungsfähige Staat sein.

Bürokratie – so ermüdend und oft überflüssig so manch ein Bericht für Unternehmen oder auch innerhalb der Verwaltung ist – ist nicht das vorrangige Problem, das Bürger:innen und Unternehmen haben. Es ist die Kompliziertheit von Anträgen, die häufig Misstrauen oder Partikularinteressen widerspiegeln, die im parlamentarischen Prozess in Gesetze einfließen. Es sind nicht-optimierte Prozesse, die, im schlimmsten Fall, auch noch vom Analogen eins-zu-eins ins Digitale übertragen wurden. Es sind Ängste vor einer digitalen Identität, der nicht so viel zugetraut wird wie der händischen Unterschrift. Es ist der Unwille, Gesetze und Normen dahingehend zu überprüfen, ob sie schlank ins Digitale transformiert werden können. Für so etwas hilft nicht unbedingt ein „one in, one out“-Vorhaben, denn schlimmstenfalls wird ein neuer Prozess eingeführt, der weder abbildbar noch digital durchführbar ist und damit als „bürokratisch“ wahrgenommen wird. Die Lösung muss also darin liegen, Gesetze von vornherein anders zu denken, zu gestalten und auf ihre Wirkung zu achten.

Die Trägheit der Systeme

Allerdings ist das System Verwaltung träge. Damit müssen wir umgehen. Das bedeutet, dass wir uns mit Transformationsfragen differenzierter beschäftigen müssen. Also nicht bloß mit der Frage, wie man eine Leistung digital bekommt, sondern gerade im föderalen System mit Steuerungsfragen, mit Implikationen für die Art des Arbeitens innerhalb der Verwaltung und den gesellschaftlichen Implikationen, ökonomischen Folgen, gerade für kleine IT-Dienstleister. Diese Fragen werden auch Musk begegnen – und meiner Prophezeiung nach – um die Ohren fliegen. Denn jedes System wird ohne Antworten auf diese Fragen vollends in sich zusammenfallen (wenn das nicht eh sein Ziel ist).

Lineares Denken, im Sinne von „es muss nur dieser eine Schalter umgelegt werden“ (oder eben das Handeln von Musk), ist ein Fehlschluss, der davon ausgeht, der Rest der Welt sei unbeweglich. Das heißt, auch ein echtes Digitalministerium allein wird es nicht richten – so nötig auch ich es mittlerweile finde.

Vom Objekt zum Subjekt: Ein Paradigmenwechsel innerhalb der Verwaltung

Um der Trägheit entgegenzuwirken ist auch ein Paradigmenwechsel innerhalb der Verwaltung notwendig. Verwaltung sieht sich regelmäßig eher als Objekt, denn als handelndes Subjekt. Transformation ist aber etwas, das nicht über sie kommt, sondern etwas, das sie selbst gestalten muss. Insbesondere ihre Führungskräfte. Ebenfalls dazu gehört, dass sich politische Entscheidungsträger der Vollzugsexpertise innerhalb der Verwaltung stärker annehmen müssen – gerade auch derer aus den Kommunen. Regelmäßig wird beispielsweise zum Thema Bürokratieabbau die Wirtschaft angesprochen und um Vorschläge gebeten, um Prozesse zu verbessern. Dabei sind auch innerhalb der Verwaltung enorme Potenziale zur Verbesserung vorhanden. Und das Gute ist: äußerst vielen Verwaltungsmitarbeitenden sind diese bewusst. Sie arbeiten bereits mit Maßnahmen daran, bürokratische Hemmnisse abzubauen.

Ein Beispiel dafür ist das Hamburger Projekt „HELP“ (Hamburger Effizienzlandkarte durch Prozessanalyse). Es zeigt, wie strukturelle Prozessoptimierung in der öffentlichen Verwaltung funktionieren kann. Ziel ist es nicht nur, Prozesse effizienter zu gestalten, sondern sie grundlegend zu hinterfragen: Wird die richtige Aufgabe auf die richtige Weise erledigt? Dabei geht es um mehr als nur Effizienzgewinne – es werden Mehrwerte für Mitarbeitende und Bürger:innen geschaffen. Solche Ansätze müssen skaliert und von anderen Verwaltungseinheiten kopiert werden.

Die Zukunft wartet auf unser Handeln

Deutschland hat alles, was es für eine erfolgreiche Verwaltungstransformation braucht: engagierte Mitarbeitende, bewährte Konzepte und die Technologien von morgen. Was fehlt, ist der politische Wille, diese Potenziale zu heben und die Verwaltung als Fundament einer funktionierenden Demokratie zu stärken. Denn ein leistungsfähiger Staat ist nicht nur der Schlüssel für Problemlösungen in der Politik, sondern auch für das Vertrauen der Bürger:innen in unsere demokratischen Institutionen. Die Zeit zu handeln ist jetzt.

Dieser Text erschien am 11. Dezember 2025. zuerst im Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI.

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Women of the Year 2024 in eGovernment / Leadership CxO „Gold“

Ich freue mich sehr, beim Publikumsvoting des WIN Awards der Vogel Akademie mit Gold als Women of the Year in eGovernment in der Kategorie „Leadership CxO“ ausgezeichnet worden zu sein. Die Preisverleihung fand in Bonn auf dem Petersberg statt.

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Austritt aus der fdp

Zum heutigen 7. November 2024 bin ich nach neuneinhalb Jahren aus der FDP ausgetreten.

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Nominiert für den WIN-Award

Es ist eine große Ehre für mich, nach nur eineinhalb Jahren als Geschäftsführerin von NExT e.V. in der Kategorie „Women in eGovernment / Leadership CxO“ des WIN-Awards nominiert worden zu sein. Abstimmen kann man für mich und andere noch bis zum 2. Oktober 2024 unter diesem Link.

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Mitglied im Sounding-Board des bmi für den servicestanard

In meiner Funktion als Geschäftsführerin von NExT e. V. darf ich seit dem Frühjahr 2024 dem wiederbelebten Sounding-Board für den Servicestandard angehören. Das Sounding-Board wurde vom Bundesministerium des Innern und für Heimat ins Leben gerufen und wird von diesem geleitet.

Der Servicestandard mit seinen 19 Prinzipien basiert auf einem Vorschlag vom Nationalen Normenkontrollrat (NKR) und definiert ganzheitliche Qualitätsprinzipien für die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen – dazu gehört auch die Nutzerfreundlichkeit. Das Sounding-Board soll bei der Weiterentwicklung des Servicestandards unterstützen.

Leider ist der Servicestandard noch nicht so etabliert, wie er sollte. Wer sich mit diesem Thema auseinandersetzen möchte – er ist auch für digitale Leistungen außerhalb der Verwaltung nutzbar – kann sich gerne das Poster mit den 19 Prinzipien auf der Webseite ansehen und ausdrucken. Es findet sich hier außerdem die Möglichkeit für einen Selbstaudit und auch ein Webinar.

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Abschied als LOAD Vorsitzende

Der Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI  porträtierte am 3. Mai 2024 Teresa Widlok – nicht ohne Grund. Denn am 4. Mai wird sie, sofern die Mitglieder sie wählen, meine Nachfolgerin als LOAD Vorsitzende.

Sechs Jahre lang durfte ich den Verein für liberale Netzpolitik leiten. Das war das wichtigste Amt, das ich je innegehabt habe. Und das, das mich am meisten geprägt hat.

Bürgerrechte im Digitalen zu schützen, das war und ist immer unser leitendes Ziel gewesen. Und wir hatten viel zu tun: VDS, NetzDG, Corona-App, Chatkontrolle, Urheberrecht, Hackbacks, Gesichtserkennung… die Liste an Themen, bei denen wir uns in den letzten Jahren engagiert haben, ließe sich noch weiter fortführen. Ich glaube, wir können rückblickend sagen, dass wir mit LOAD nebst anderen Organisationen, einen enormen Beitrag geleistet haben, damit politische Vorhaben aufgegeben oder bürgerrechtskonform umgesetzt werden. Dass wir das geschafft haben, darauf bin ich wahnsinnig stolz und meinen Mitgliedern und meinen Vorstandskolleg:innen sehr dankbar.

Ich selbst durfte in diesem Amt mehr erleben, als ich mir je vorgestellt habe, als ich mich 2018 dazu entschied, als Vorsitzende zu kandidieren. Ich bin durch die gesamte Bundesrepublik für Diskussionen gereist, war von Hongkong im Osten, bis Portland im Westen und Johannesburg im Süden in vielen Regionen der Welt. Mehrfach in Russland, mehrfach in Israel und sogar in der kurzen Zeit in Kasachstan, als die Hauptstadt mal Nur-Sultan hieß. Ich durfte Sachverständige sein, mit Minister:innen aus den In- und Ausland diskutieren, Schüler:innen für ihre Bürgerrechte begeistern und einen der Erfinder des Internets kennenlernen. Nicht nur während der Pandemie war ich so oft auf (digitalen) Bühnen, dass viele Leute dachten, LOAD Vorsitzende sein wäre mein Job.

LOAD war aber nie mein Job, sondern immer nur Ehrenamt. Und ein Ehrenamt so auszufüllen schlaucht auf die Dauer. Bei NExT wachsen wir gerade und das braucht meine volle Aufmerksamkeit. Und ehrlicherweise, hätte ich gerne mal etwas mehr Zeit für ein Privatleben.

Ich kann nicht aufzählen, wem ich alles dankbar bin für die Begleitung auf dem Weg der letzten sechs Jahre. Zuvorderst bin ich es aber allen LOADies, die mich damals, noch ganz schüchtern, mit nicht viel Ahnung und keinem Netzwerk, als ihre Vorsitzende gewählt haben. Danke für Euer jahrelanges Vertrauen und Eure Unterstützung.

Teresa verfügt bereits über eine ausgewiesene Expertise zu unseren Herzensthemen. Als meine Stellvertreterin war sie eine meiner wichtigsten Ratgeberinnen. Ich schätze sie nicht nur als konsequente Bürgerrechtlerin, sondern auch als Strategin und vor allem Freundin. Jimmy Schulz, von dem ich das Amt übernahm, sagte mir damals, dass ich es anders ausfüllen werde, als er das tat. Teresa wird es auch anders machen. Und wie Jimmy sage ich: “dass Du das anders machen wirst, ist gut. Und wann immer was ist, bin ich für Dich da.”

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Austausch mit dem deutschen und estnischen Präsidenten

Am 16. April 2024 hatte ich das Vergnügen und die Ehre, den deutschen und den estnischen Präsidenten auf dem GovTech Campus Deutschland im Rahmen des offiziellen Besuchs des estnischen Präsidenten in Deutschland zu treffen. Wir haben in einer sehr kleinen, ausgewählten Gruppe von Unternehmer:innen und Professorinnen über Technologie für die Demokratie diskutiert. Für mich, vor allem als Geschäftsführerin von NExT e. V., war es wichtig, anzusprechen, dass Technologie zwar wichtig ist, aber Innovation nicht nur aus Technologie besteht. Wir haben brillante Menschen, die auf allen Ebenen unserer öffentlichen Verwaltung arbeiten und alle notwendigen Ideen und Werkzeuge auf dem Markt haben, um unsere Verwaltung zu verändern – aber wir müssen ihnen den Raum und die Freiheit geben, ihre innovativen Ideen Wirklichkeit werden zu lassen.

Außerdem haben ich und mehrere andere Teilnehmer aus der Wissenschaft und der Privatwirtschaft das Problem des demografischen Wandels angesprochen. Wir müssen dringend digitale Dienste bereitstellen, weil in den nächsten sechs Jahren zu viele Menschen in Rente gehen. Unsere Demokratie muss effiziente Dienstleistungen erbringen. Dies ist eine wesentliche Grundvoraussetzung für die Legitimität eines demokratischen Staates. Das vergessen wir zu oft. Konzentrieren wir uns also mehr auf das Fundament unseres Staates: unsere Verwaltung, und geben wir den hervorragenden Menschen, die dort arbeiten, alles, was sie brauchen.

Vielen Dank für die Organisation dieser Veranstaltung, an den Bundes CIO Dr. Markus Richter, Ammar Alkassar, Teresa Ritter und dem Team des GovTech Campus.

📸 Jens Oellermann

Bundespräsident Steinmeier auf dem GovTechCampus. Berlin, 16.04.24 © Jens Oellermann Fotografie
Bundespräsident Steinmeier auf dem GovTechCampus. Berlin, 16.04.24 © Jens Oellermann Fotografie
Bundespräsident Steinmeier auf dem GovTechCampus. Berlin, 16.04.24 © Jens Oellermann Fotografie
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Wiederberufung in den digitalrat sachsen-anhalt

Am 11. April 2024 wurde ich zu einer zweiten Amtszeit von Ministerin Dr. Lydia Hüskens erneut in den Digitalrat Sachsen-Anhalt berufen. Ich freue mich, auch die nächsten zwei Jahren, zusammen mit den Kolleg:innen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft Impulse in die digitalpolitischen Vorhaben dieses spannenden Flächenlandes zu geben.

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Gründungsmitglied des IFG-D

Am 8. April 2024 wurde der Verein IGF-D e. V. neu gegründet. Dazu kamen verschiedene Stakeholder der Internet Governance im Bundesministerium für Digitales und Verkehr zusammen, um den Verein (erneut) im hybriden Format zu gründen. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Vertreter:innen aus dem Bundestag, der Wirtschaft und Zivilgesellschaft, sowie der Wissenschaft und Jugend. Ich freue mich sehr, bei diesem Verein Gründungsmitglied zu sein.

Der neue Vorstandsvorsitzende des IGF-D e. V. (in Gründung) ist Peter Koch, stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Friederike von Franqué. Kathrin Morasch und Miguel Vidal komplettieren den Vorstand des neu gegründeten Vereins. Das Gründungsprotokoll wird zeitnah auf der Website des IGF-D zur Verfügung gestellt.

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Unsere Demokratie hängt von der Verwaltungstransformation ab

63 Prozent der öffentlich Beschäftigten halten den Staat, für den sie arbeiten, für überfordert [1]. Bis 2030 könnten dem öffentlichen Dienst ohne Gegenmaßnahmen über eine Million Fachkräfte fehlen [2]. Das sind ein Fünftel der heute Beschäftigten. In allen anderen Bereichen, insbesondere der Wirtschaft, haben wir erkannt, dass es durch den demografischen Wandel einen eklatanten Fachkräftemangel gibt; dass wir nicht mehr in der Lage sind, Stellen zu besetzen. Bei politischen Vorhaben und der öffentlichen Diskussion darüber, scheint dieser demografische Wandel und der Fachkräftemangel jedoch keine Relevanz zu haben. Da werden 5.000 neue Stellen zur Umsetzung der Kindergrundsicherung gefordert und die Diskussion beschränkt sich darauf, ob diese Anzahl der Stellen sinnvoll ist oder nicht – nicht darüber, ob wir überhaupt in der Lage wären, diese zeitnah zu besetzen und ob Staat im Jahre 2024 nicht anders funktionieren sollte, als durch Neueinstellung von Sachbearbeiter:innen. 

Dass 63 Prozent der öffentlich Beschäftigten den Staat nicht mehr für leistungsfähig halten, ist kein Bauchgefühl der Befragten. In Stuttgart mussten Menschen vor den Ausländerbehörden campieren, um einen der wenigen Terminslots zu bekommen [3]. Behörden sind schlichtweg überlastet, Menschen bewerben sich weg, sind wegen Burnout krankgeschrieben oder nehmen ihren wohlverdienten Urlaub. Auf die freien Stellen bewirbt sich niemand. In Sachsen protestieren noch vor der zunächst geplanten Streichung der Agrarsubventionen die Bauern, da Software nicht rechtzeitig angepasst werden konnte, um ihnen ihre EU-Gelder pünktlich zum 1. Januar auszuzahlen [4]. Dann, wann ihre Pacht und Versicherungen fällig werden und sie das Geld brauchen. Das Gesetz zur Ersatzfreiheitsstrafe konnte nicht wie eigentlich geplant zum 1. Oktober 2023 umgesetzt werden, da die Softwareanpassungen sich länger hinzogen [5]. 

Das alles sind keine Kleinigkeiten. Insbesondere nicht für die betroffenen Menschen und es ist nur ein kleiner Ausschnitt von Dingen, die nicht oder zu langsam gehen, weil Personal fehlt und die Transformation unserer Verwaltung, hin zu modernen Behörden, die digital arbeiten, zwanzig Jahre hinterherhinkt. 

An der Modernisierung unserer Verwaltung hängt auch der Glaube an die Demokratie

Schaut man in der genannten Studie des Deutschen Beamtenbundes ein paar Zeilen höher, erfährt man, was eigentlich die Bürger:innen über die Leistungsfähigkeit des Staates denken. Sie ist nicht überraschend mit 69 Prozent noch schlechter und über die Jahre ist dieser Wert gestiegen. Was bedeutet es für unser demokratisches System, wenn Menschen nicht mehr an die Leistungsfähigkeit dieses Staates glauben? Die Transformation unserer Verwaltung ist nichts, was nice-to-have ist. An hier hängt der Glaube an und das Vertrauen auf einen leistungsfähigen Staat, der mir unkompliziert die Leistungen bereitstellt, die ich brauche und die ich beanspruchen möchte. 

Der Normenkontrollrat hat in seiner jüngsten Studie, durchgeführt von Deloitte, die Komplexitätsfalle unseres Sozialstaates umfassend dargestellt [6]. In der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. März 2024 wurde anhand eines Beispiels dargelegt, was diese Komplexität für Leute bedeuten kann [7]: Menschen, die eh schon wenig haben, müssen nicht nur zu enorm vielen Anlaufstellen, sie leben auch immer in Sorge, dass sich komplexe Berechnungsgrundlagen ändern und sie Gelder zurückzahlen müssen. Gelder, die sie bekommen, weil es sonst nicht zum Leben reicht. 

„In dem Beispielfall ist es heute so: Der Haushalt erhält Kindergeld und Kinderzuschlag bei der Familienkasse, Wohngeld und Leistungen für Bildung und Teilhabe der Kinder beim Wohngeldamt, Arbeitslosengeld von der Arbeitsagentur, Sozialhilfe und Hilfe zur Pflege beim Sozialamt. Daneben gibt es Leistungen von Kranken- und Pflegekasse. Und Absetzung der Kinderbetreuungskosten sowie den Alleinerziehendenfreibetrag beim Finanzamt.

Noch umständlicher ist die Abwicklung durch die vielen Ämter. Denn die Höhe einer Hilfe hängt oft von der Höhe einer anderen ab, die sich wiederum nach dem individuellen Einkommen richtet. Obendrein sind wichtige Prüfkriterien je nach Sozialleistung im jeweiligen Gesetz unterschiedlich definiert. Ergebnisse der einen Antragsprüfung lassen sich dann schlecht zur Klärung anderer Ansprüche nutzen.

Für die 12 Leistungen im Musterfall seien „mindestens vier verschiedene Einkommensbegriffe und drei verschiedene Begriffe der häuslichen Lebensgemeinschaft anzulegen“, zeigt die Studie. Und sollte „ein künftiges Arbeitseinkommen des Vaters über der Freigrenze liegen und schwankend sein, ist die Berechnung monatlich neu vorzunehmen“. Zudem drohten ihm Rückforderungen durch die Wechselwirkungen zwischen den Leistungen. 

Das Beispiel ist extrem, verdeutlicht damit aber die tieferliegenden Probleme, um deren Lösung es dem Normenkontrollrat und den Gutachtern geht: Der Sozialstaat hat einen riesigen Verwaltungsaufwand, er braucht enorm viel Personal allein fürs Be- und Abrechnen von Leistungen. Aber Bedürftige werden oft eher überfordert als zufriedengestellt. Außerdem steht der Wirrwarr von Regeln und Zuständigkeiten dem Ziel im Weg, den Aufwand durch Digitalisierung zu senken. Und selbst eine Supersoftware löste nicht das Problem, dass die fachlich und föderal verzweigten Behörden oft unterschiedliche IT-Systeme mit inkompatiblen Schnittstellen nutzen.“

Wer also das – wie ich finde richtige – politische Ziel verfolgen will, Kinderarmut zu bekämpfen und Menschen die Leistungen zukommen lassen will, die ihnen zustehen, der kann – und darf! – sich nicht an den 5.000 Stellen für die Familiencenter aufhalten. Denn das Festhalten hieran verkennt die Realitäten des Arbeitsmarktes – 5.000 Stellen lassen sich zudem nicht über Nacht besetzen, selbst wenn es die qualifizierten Arbeitskräfte gäbe (und hier haben wir noch nicht über die Anforderungen des TVÖD an die formalen Qualifikationen gesprochen!) –, und es verkennt, dass die Komplexität unseres Sozialsystems ein enormes Problem darstellt. Und da stimme ich mit dem NKR überein: Es darf bei einer Komplexitätsreduktion nicht darum gehen, Sozialleistungen zu kürzen. Es muss darum gehen, den Staat wieder handlungs- und leistungsfähiger zu machen. Dazu gehört auch, die Einzelfallgerechtigkeit, die nicht nur in Deutschland zu enormen Verzögerungen führt (vgl. Jennifer Pahlka “Recoding America. Why Government is Failing in the Digital Age and how we can do better”), abzuschwächen und zu pauschalen Bewilligungen zu gelangen. Dafür ist auch zu plädieren, weil die Komplexität unserer Sozialleistungen einfach nicht mehr abbildbar ist – weder auf einem Blatt Papier, noch digital. 

Unsere Sozialleistungen und die Ansprüche darauf, sind mittlerweile so komplex und kompliziert, dass ich keine Person persönlich kenne, die keine Probleme beim Stellen von Elterngeldanträgen hat. Wohlgemerkt alles Akademiker:innen, teilweise Volljurist:innen. Was bedeutet es für unsere Demokratie und Gesellschaft, wenn Bürger:innen nicht mehr selbstständig verstehen (können), was ihnen zustehen könnte und was nicht? Was bedeutet es, wenn Menschen nicht von Zuhause aus ihre Leistungen beantragen können, weil sie sich nicht trauen zu einem Amt zu gehen oder Krankheiten und Behinderungen sie gar davon abhalten? Was bedeutet es, wenn Menschen auf Gelder zum Überleben angewiesen sind, der Staat sie aber wegen Personalmangels und überaus komplexer Prozesse und Überprüfungen nicht rechtzeitig auszahlen kann?

Verwaltungsdigitalisierung muss in die breite öffentliche Diskussion

Vor wenigen Wochen wurde das Onlinezugangsänderungsgesetz (OZG 2.0) vom Bundesrat gestoppt. Eine Diskussion im Parlament gab es nicht. Nicht nur die Bremse dieses Gesetzes schockierte mich (ein Vermittlungsausschuss ist bisher nicht angerufen worden), sondern auch, dass keine Begründungen der Ablehnung im Bundesrat diskutiert wurden. Ebenso, dass danach auch nur kurz und mit recht wenig Aufmerksamkeit berichtet wurde. 

Alle politischen Parteien fordern eine digitale Verwaltung. Nahezu alle Bürger:innen wollen eine digitale Verwaltung für ihre Anliegen. Interessieren tun sich für die Umsetzung dann aber doch zu wenige. Vielmehr wird nicht erkannt, welche Bedeutung diese Generationenaufgabe einer Transformation für uns als Gesellschaft und demokratischen Staat hat. Wir können es uns nicht mehr leisten, politische Diskussionen wie zu Bonner-Republik-Zeiten zu führen und meinen, wir lösen unsere politischen Probleme und Herausforderungen der Verwaltung mit mehr Personal. Das ist schlicht nicht da und der Anspruch an Verwaltung hat sich ebenfalls geändert. 

Amy Webb kritisierte jüngst in der Süddeutschen Zeitung den fehlenden Willen der deutschen Wirtschaft, sich zu verändern [8]. Das scheint nicht nur für die Wirtschaft zu gelten, sondern auch für uns als gesamte Gesellschaft. Wir müssen lernen, anders zu denken, wie politische Maßnahmen in Verwaltungshandeln umgesetzt werden können. Machen wir weiter wie bisher, lähmt uns nicht nur die bis dahin noch größer gewordene Komplexität komplett, es werden auch nicht mehr genügend Leute in den Verwaltungen sitzen, die die Komplexität dank ihrer jahrelangen Verwaltungserfahrung verstehen und anwenden können. Verwaltungsdigitalisierung und -transformation muss viel stärker auf unsere gesellschaftliche und politische Agenda. Davon hängt die Zukunft unseres Gemeinwesens und unserer Demokratie ab. Es campierten schon genügend Leute vor Ämtern. 

[1] https://www.dbb.de/fileadmin/user_upload/globale_elemente/pdfs/2023/forsa_2023.pdf S.5

[2] https://www.pwc.de/de/branchen-und-markte/oeffentlicher-sektor/fachkraeftemangel-im-oeffentlichen-sektor.html 

[3] https://www.t-online.de/region/stuttgart/id_100238498/stuttgart-auslaenderbehoerde-versinkt-im-chaos-wegen-fehlender-mitarbeiter-.html 

[4] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/agrar-dresden-schnelle-hilfe-fuer-bauern-gefordert-protest-am-landtag-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-231101-99-781483

[5] https://www.golem.de/news/it-umstellung-halbierung-der-ersatzfreiheitsstrafe-verschoben-2308-177117.html

[6] https://www.normenkontrollrat.bund.de/Webs/NKR/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/24-03-26-nkr-gutachten-sozialleistungen.html

[7] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wie-der-sozialstaat-zum-buerokratiemonster-wurde-19611136.html[8] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sxsw-amy-webb-innovationen-deutschland-1.6439743?reduced=true

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