Expertinnen-Statement für den D21 Index 2021/22 zur Lage der digitalen Gesellschaft
Die Nutzung sozialer Medien durchdringt mittlerweile alle Teile der Gesellschaft und nimmt einen immer größeren Raum in unserer alltäglichen Kommunikation und Information ein. Doch Phänomene wie Hass, Hetze und gezielte Desinformationen dort stellen uns auch vor immense Herausforderungen. Eines ist klar: Tech-Konzerne brauchen Tech-Regulierung. Leider fokussieren wir uns in Deutschland bei der Diskussion um die Regulierung von Social-Media-Plattformen – insbesondere, um Maßnahmen gegen Hass und Hetze zu ergreifen – zu sehr auf die Inhalte. Natürlich sind Inhalte ein wichtiger Faktor. Sind sie es doch, die die Morddrohungen, Beleidigungen und rassistische Hetze transportieren.
Nur kommen wir niemals auf einen grünen Zweig, wenn wir uns ausschließlich mit der Regulierung von Inhalten beschäftigen. Sprache und Meinung sind nicht nur kompliziert – gerade, wenn es um die häufig diffizile Bewertung geht, was noch rechtmäßige Meinungsäußerung ist und was nicht. Es werden auch sekündlich viel zu viele Inhalte ins Netz gestellt, als dass wir sie alle adäquat prüfen könnten. Das heißt nicht – nochmal in aller Deutlichkeit –, dass uns diese Inhalte nicht kümmern sollten. Der Rechtsstaat muss unbedingt durchgreifen und VerfasserInnen müssen sich vor Gericht für ihre mutmaßlich rechtswidrigen Inhalte verantworten.
Warum daher der Fokus auf TechRegulierung?
Das Problem bei Social-Media-Plattformen ist vor allem, dass sie Hass und Hetze, Desinformationen und Verschwörungserzählungen durch ihre algorith- mischen Systeme verstärken und damit den Men- schen gezielt zuspielen. Zudem haben sie oftmals nur ungenügende Mechanismen, um die Rechte der NutzerInnen zu stärken, wenn Inhalte unrechtmäßig entfernt oder Accounts gesperrt wurden. Starre Fristen und Zeitdruck erschweren in Deutschland das sorgfältige Abwägen, bei welchen Inhalten und Accounts eine Blockierung legitim ist und wo nicht. So kommt es auch immer wieder zum sogenannten »Overblocking«. Das Reaktivieren solcher Beiträge oder NutzerInnen-Konten ist ein langwieriger und mühseliger Prozess. Deshalb brauchen wir gerade im Digitalen eine Gesetzgebung, die Strukturen, Prozesse und Verbraucherrechte in den Fokus nimmt.
Das wird der Digital-Service-Act (DSA), so scheint es gerade, gut umsetzen. Damit er kein zahnloser Tiger wird, ist es wichtig, dass wir uns in der gesellschaftlichen und politischen Debatte stärker mit ihm beschäftigen. Wer über notwendige Regulierung wegen Hass und Hetze auf Telegram und in sozialen Netzwerken spricht, darf daher das Gesetzeswerk aus Brüssel nicht ignorieren. Die Europäische Union wird mit dem DSA globale Standards setzen und im besten Falle darin unterstützen, dass sich weltweit Hass und Hetze weniger verbreiten.
Dieser Text erschien als Expertinnenstatement im D21 Index zur Lage der digitalen Gesellschaft der Initiative D21.