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Gastbeitrag

Category: Gastbeitrag

Gastbeitrag: Wie viele Netzwerke braucht die Verwaltungstransformation?

Netzwerke sind ein zentrales Mittel, um die Verwaltung zukunftsfähig zu machen. Kaum einen Vortrag zur Verwaltungsmodernisierung, in dem nicht das Wort „Vernetzung“ fällt. Und in der Tat: Wer sich mit Gleichgesinnten austauscht, bekommt nicht nur neue Impulse, sondern auch konkretere Handlungsperspektiven. Aber bei über 70 identifizierten Netzwerken allein im Bereich Verwaltungstransformation stellt sich die Frage: Kommt man da eigentlich noch zum Arbeiten? Oder sind wir bereits in einer Netzwerkspirale gefangen, die mehr Energie kostet, als sie bringt?

Diese Fragen treiben viele um und sie sind berechtigt. Gleichzeitig helfen plakative Antworten nicht weiter. Es braucht eine differenzierte Auseinandersetzung: Was leisten Netzwerke? Wo liegen die Grenzen? Und wie gelingt ein sinnvoller Umgang mit der wachsenden Zahl an Angeboten?

Wirksamkeit entsteht nicht automatisch

Bei Next e. V. haben wir eine vom Bundesministerium des Innern und für Heimat geförderte Studie umgesetzt, die diesen Fragen systematisch nachgegangen ist. Darin haben wir nicht nur die erwähnten über 70 bestehenden Netzwerke identifiziert und aufgelistet, sondern auch gezeigt: Netzwerke haben nachweisbare Mehrwerte, für Individuen ebenso wie für Organisationen, für kleine Kommunalverwaltungen genauso wie für Bundesbehörden.

Sie dienen der Wissensvermittlung, schaffen Inspiration, geben Orientierung, fördern informellen Austausch und ermöglichen oft erst die praktische Umsetzung von Ideen. Viele berichten, dass sie durch Netzwerke erstmals konkrete Anknüpfungspunkte für eigene Projekte gefunden haben. Andere erleben, dass sie sich im Netzwerk zum ersten Mal überhaupt trauen, Fragen zu stellen oder Zweifel zu äußern. Netzwerke können Ermutigungsräume sein, in denen das sonst so oft mühsame und isolierte Vorankommen in der Verwaltung an Tempo und Richtung gewinnt.

Diese Wirksamkeit entsteht jedoch nicht automatisch. Sie ist nicht die Folge bloßer Mitgliedschaft oder Teilnahme. Sie entsteht durch echte Verbindung, Relevanz und Vertrauen. Genau hier liegt eine der zentralen Herausforderungen.

Denn so unterschiedlich wie die Menschen in der Verwaltung sind, so unterschiedlich sind ihre Bedarfe. Es gibt Kolleg:innen, die sich in große, thematisch breite Netzwerke einbringen, um sich inspirieren zu lassen und ein Gefühl für die große Transformationsbewegung zu bekommen. Andere suchen gezielt den Austausch zu einem hochspezialisierten Thema, sei es der Umbau kommunaler IT-Infrastrukturen, die digitale Personalakte oder die Zusammenarbeit mit Start-ups. Manche brauchen den geschützten Raum unter Verwaltungsbeschäftigten, andere schätzen die gemischten Formate mit Zivilgesellschaft, Wirtschaft oder Politik. Wieder andere profitieren vor allem dann, wenn sie über Monate hinweg gemeinsam mit einer kleinen Gruppe an konkreten Lösungen arbeiten.

Vielfältigere Netzwerke und Freiräume sind notwendig

Das heißt: Nicht jedes Netzwerk muss alles leisten. Im Gegenteil, je klarer ein Netzwerk seine Zielgruppe und seinen Nutzen benennt, desto einfacher wird es für Interessierte, das passende Angebot zu finden. Vielfalt ist kein Problem, solange sie mit Klarheit einhergeht. Was es jedoch braucht, ist eine gewisse Stringenz in der Kommunikation. Wenn Netzwerke ihre Ziele und Angebote nicht transparent darstellen, fällt es schwer, als potenziell Interessierte:r zu entscheiden, ob und warum man sich einbringen sollte.

Gleichzeitig sehen wir auch ein anderes Problem: Es netzwerken immer noch zu wenige. Viele kennen die bestehenden Angebote nicht oder fühlen sich nicht angesprochen. Andere erleben keine Freiräume in ihren Organisationen, um überhaupt an Netzwerkformaten teilnehmen zu können. Wieder andere glauben, dass Netzwerken nicht produktiv sei oder „nichts bringt“. Dabei zeigt unsere Studie klar: Netzwerken ist nicht „nice-to-have“, sondern Teil moderner Verwaltungspraxis. Wer Transformationsprozesse gestalten will, braucht Anschluss – fachlich, methodisch, menschlich.

Deshalb richten sich unsere Handlungsempfehlungen in der Studie auch an unterschiedliche Ebenen: Einzelne können lernen, wie sie den Einstieg ins Netzwerken finden und für sich passende Formate entdecken. Vorgesetzte und Arbeitgeberorganisationen wiederum sind gefordert, Netzwerkarbeit zu ermöglichen, sichtbar zu machen und strukturell zu unterstützen. Denn ohne entsprechende Rahmenbedingungen bleibt Netzwerkarbeit ein Engagement nebenbei – mit entsprechend begrenztem Wirkungspotenzial.

Es braucht viele Netzwerke – aber nicht alle

Und noch eine Frage treibt viele um: Wenn es so viele Netzwerke gibt, wie verhindere ich, mich darin zu verlieren? Auch das ist eine realistische Sorge. Netzwerken macht nicht nur Sinn, es macht oft auch Spaß. Man trifft Gleichgesinnte, erfährt Neues, bekommt Anerkennung. Aber wie so oft im Leben braucht es auch hier Selbstdisziplin. Nicht jede Einladung muss angenommen, nicht jedes Format besucht werden. Entscheidend ist, sich regelmäßig zu fragen: Was bringt mich und meine Arbeit weiter? Wo habe ich den größten Hebel, wo kann ich mich sinnvoll einbringen? Und wann ist es auch mal gut?

Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet daher: Es braucht viele Netzwerke – aber nicht für jede:n alle. Wir sollten die Vielfalt an Netzwerken nicht als Problem, sondern als Möglichkeit begreifen. Die Möglichkeit, Menschen auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen. Ihnen zu helfen, Anschluss zu finden. Ihre Rolle in der Transformation neu zu definieren. Und die große Aufgabe der Verwaltungstransformation auf mehr Schultern zu verteilen. Entscheidend ist nicht die Anzahl der Netzwerke, sondern ihre Zugänglichkeit, ihre Passung und ihre Klarheit im Angebot.

Verwaltungstransformation braucht Community. Nicht nur, weil es alleine oft zu schwer ist. Sondern weil es zusammen besser geht.

Dieser Text erschien zu erst im Tagesspiegel Background Smart City.

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Gastbeitrag: Zwischen Gesetz und Wirkung klafft eine digitale Lücke

Ein Gesetz ist noch keine Politik. Gute Politik zeigt sich erst, wenn sie bei Menschen und Unternehmen spürbar wird – wenn sie umgesetzt wird. Dafür braucht es eine Verwaltung, die dem parlamentarischen Willen Leben einhaucht. Doch was passiert, wenn genau das nicht mehr zuverlässig gelingt?

Immer häufiger erleben wir, dass politische Vorhaben nur stark verzögert oder gar nicht realisiert werden. Nicht, weil es am Willen fehlt, sondern weil die Verwaltung überfordert ist bzw. wird. Ein zentrales Problem: Politische Entscheidungen werden getroffen, ohne die technische und prozessuale Umsetzbarkeit ausreichend mitzudenken.

„Die Politik verspricht etwas und der Staat liefert nicht.“

Ein aktuelles Beispiel ist die sogenannte „Mütterrente“. Über die politische Bewertung mag man streiten, aber hier geht es um etwas anderes: Die versprochene Leistung kann nicht wie geplant umgesetzt werden. Der Grund? Der Aufwand für die nötigen technischen Änderungen ist immens. Die Deutsche Rentenversicherung trägt daran keine Schuld – im Gegenteil: Sie hat in den letzten Jahren viel in Digitalisierung investiert. Das Problem liegt darin, dass die Gesetzgebung häufig ohne realistische Einschätzung der Systemarchitektur erfolgt. Es geht zu häufig nur um das „Ob“. Das „Wie“ wird politisch oft vernachlässigt.

Solche Fälle bleiben bei vielen Menschen hängen: Die Politik verspricht etwas und der Staat liefert nicht. Besonders fatal ist das bei Vorhaben, die unmittelbar im Alltag der Menschen wirken – sie entlasten sollen. Das Vertrauen in Staat und Demokratie leidet, wenn Zusagen nicht eingelöst werden.

Auch das Klimageld ist ein Beispiel. Während in Österreich die Auszahlung mehrfach problemlos funktioniert hat, hieß es in Deutschland: „Technisch nicht machbar“. Der frühere Bundesfinanzminister Christian Lindner erklärte, man könne nur 100.000 Überweisungen am Tag tätigen. Gleichzeitig laufen im Bankverkehr Echtzeitüberweisungen längst reibungslos. Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick auf die 200-Euro-Einmalzahlung für Studierende: Hier wurde in wenigen Wochen ein funktionierendes Auszahlungsverfahren aufgebaut (nach einer müßigen politischen Diskussion) – allerdings nicht vom Bund, sondern von Sachsen-Anhalt. Diese Lösung wurde vom Bundesfinanzministerium jedoch nicht übernommen.

„Gesetze müssen als Prozesse gedacht und digital abbildbar sein.“

Ein weiteres Beispiel: die Kindergrundsicherung. Auch hier scheiterte das Vorhaben nicht am politischen Willen, sondern an der Umsetzbarkeit. Die geplante Komplexität machte eine digitale oder auch nur effiziente Abbildung im Verwaltungsvollzug nahezu unmöglich. Die Ankündigung, 5.000 neue Stellen zur Umsetzung zu schaffen – während gleichzeitig über 500.000 Stellen im öffentlichen Dienst unbesetzt sind – machte das Dilemma deutlich. Mehr Geld und Personal reichen nicht, wenn die Prozesse nicht von Anfang an mitgedacht wurden.

Gesetze müssen als Prozesse gedacht und digital abbildbar sein. Es braucht ein digitaltaugliches Recht. Nur so wird Politik wirksam – und Vertrauen erhalten.

Dabei mangelt es nicht an Kompetenz in der Verwaltung. Viele Mitarbeitende wissen sehr genau, wie man Leistungen effizient und rechtssicher umsetzt, wie man Prozesse aufsetzt und IT-Lösungen mit Dienstleistern entwickelt. Doch sie werden zu selten gehört – und meist gar nicht eingebunden.

Wenn demokratisch legitimierte Vorhaben an der Umsetzung scheitern, gefährdet das nicht nur ihre Wirkung. Es gefährdet das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit unseres Staates. Laut einer Studie der Körber-Stiftung haben nur noch 46 Prozent der Menschen großes oder sehr großes Vertrauen in die Demokratie. Laut DBB halten 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger den Staat für überfordert. Der Vertrauensverlust ist real – und er hat strukturelle Ursachen, die auch in der Handlungsfähigkeit des Staates zu suchen sind.

Wer Politik gestalten will, muss Verwaltung mitdenken. Wer Vertrauen erhalten will, muss Umsetzbarkeit sicherstellen. Gute Politik beginnt nicht erst mit der Ankündigung – und endet nicht mit dem Gesetz. Sie zeigt sich erst dann, wenn sie im Alltag der Menschen ankommt. Damit das gelingt, braucht es mehr Realitätssinn, mehr Zusammenarbeit mit der Verwaltung – und den Willen, politische Vorhaben von Anfang an als umsetzbare Prozesse zu denken.

Dieser Text erschien zu erst im Newsletter d.digital der c’t.

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Gastbeitrag: Politikfähigkeit braucht Führungsfähigkeit

Warum Minister:innen ihre Verwaltung reformieren müssen, wenn sie politisch gestalten wollen.

Alle sprechen über die großen politischen Aufgaben: Transformation, Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit. Doch kaum jemand spricht über das, woran diese Aufgaben immer wieder scheitern – die Fähigkeit zur Umsetzung. Denn selbst die beste Politik bringt wenig, wenn sie auf eine überforderte, langsame und in Teilen digital abgehängte Verwaltung trifft.

Mein Gastbeitrag bei table.media im Table Forum „Staatsreform“ von Project Together/Re:Form, der Agora Digitale Transformation und NExT kann hier kostenlos gelesen werden.

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Handelsblatt Gastbeitrag: Verwaltungstransformation: Ein Hebel für Vertrauen, Demokratie und Lebenschancen

Der Begriff „Lebenschancen“, geprägt vom liberalen Denker Ralf Dahrendorf, beschreibt die Möglichkeiten, das Leben zu gestalten und Potenziale zu entfalten. Eine leistungsfähige Verwaltung sollte diese Chancen erweitern – nicht einschränken. Doch genau das geschieht, wenn die Modernisierung staatlicher Strukturen verschleppt wird.

Ein ineffizienter Staatsapparat führt zu Frustration, Existenzängsten und der Wahrnehmung, dass unsere Demokratie keine zeitgemäßen Services bieten kann. Beispiele wie die Grundsteuerreform, das Wohngeld und die Fachkräfteeinwanderung verdeutlichen die Auswirkungen – sowohl auf die Bürger als auch auf die Wirtschaft.

Die Grundsteuer: Wenn Bürger für staatliches Versagen zahlen

Die Grundsteuerreform hätte eine Routineaufgabe sein sollen, doch Millionen Bürger wurden gezwungen, Daten einzureichen, die dem Staat eigentlich bereits vorlagen. Die Hauptplattform ELSTER erwies sich dabei als nutzerunfreundlich, und selbst digitalaffine und gebildete Personen scheiterten an der Komplexität der digitalen Formulare und der unverständlichen Sprache. Hotlines der Finanzämter berichteten von verzweifelten Anrufen – manchmal unter Tränen.

Ein Lichtblick war die vom DigitalService des Bundes entwickelte Anwendung „Grundsteuererklärung für Privateigentum“. Sie ermöglichte eine intuitive und zeitsparende Bearbeitung in elf Bundesländern – ohne ELSTER-Konto, aber mit Nutzung der ELSTER-Schnittstelle. Durch Usability-Tests und die enge Zusammenarbeit mit Fachexperten konnten die Bedürfnisse der Nutzer frühzeitig berücksichtigt werden. Doch trotz ihres Erfolgs blieb das Potenzial der Anwendung auf die Bundesländer mit dem sogenannten Bundesmodell beschränkt.

Eine ineffiziente Verwaltung belastet nicht nur die Bürger, sondern untergräbt nachhaltig das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates. Die Grundsteuer wurde für viele Bürger zum Symbol einer Bürokratie, die das Leben unnötig erschwert, anstatt es zu erleichtern.

Wohngeld: Wenn Hilfe zu spät kommt

Das Wohngeld Plus, eingeführt im Januar 2023, sollte Haushalten mit niedrigen Einkommen in einer Zeit drastisch steigender Energiepreise dringend notwendige Entlastung bringen. Doch die Umsetzung legte gravierende Schwächen offen: Während nur in 200 Kommunen eine holprige digitale Antragstellung verfügbar war, stapelten sich in den restlichen knapp 11.000 Kommunen Papierberge mit Wohngeldanträgen. Bearbeitungszeiten von mehreren Monaten bis zu 40 Wochen waren keine Seltenheit.

Städte wie Köln sahen sich gezwungen, die Zahl ihrer Sachbearbeiter von 45 auf 157 Vollzeitkräfte zu erhöhen, unterstützt von weiteren 20 Hilfskräften, die ausschließlich für die Vorsortierung der komplizierten und daher fehleranfälligen Anträge zuständig waren. Für viele Antragsteller entwickelte sich das Wohngeld Plus zu einer existenziellen Belastung. Familien mussten sich Geld leihen, um Heizkosten zu bezahlen, und Alleinerziehende gerieten in prekäre Situationen, da weder für ihre Kinder noch für sie selbst ausreichend Mittel zur Verfügung standen.

Diese Unsicherheiten führten zu einer enormen psychischen Belastung. Antragsteller erhielten oft keinerlei Rückmeldungen und waren gleichzeitig gebeten, von Nachfragen abzusehen, um den Bearbeitungsprozess nicht weiter zu verzögern. Die lange Ungewissheit zerstört Vertrauen in den Staat und machte deutlich, dass der digitale Fortschritt in der Verwaltung dringend vorangetrieben werden muss.

Fachkräfteeinwanderung: Wenn Chancen an Grenzen stoßen

Deutschland braucht dringend Fachkräfte – doch ausgerechnet die zuständigen Ausländerbehörden sind chronisch überlastet. Menschen, die als Fachkräfte einwandern wollen oder bereits hier arbeiten, stoßen auf endlose Wartezeiten, ineffiziente Prozesse und teils absurde bürokratische Hürden.

Das neu eingeführte Auslandsportal des Auswärtigen Amtes zeigt, dass Deutschland digitale Verwaltung kann: Die Plattform wurde fristgerecht in allen deutschen Auslandsvertretungen implementiert und bietet nutzerfreundliche Lösungen bei der Beantragung von Visa oder der Chancenkarte. Doch mit ihrer Ankunft in Deutschland erleben Fachkräfte eine Verwaltung, die vielerorts kaum funktioniert. Die Dysfunktionalität der Ausländerbehörden im Inland wird zur existenziellen Belastung.

Die Bilder von Menschen, die vor der Ausländerbehörde in Stuttgart übernachteten, gingen durch die Medien. Seit Jahren kämpfen die Behörden mit einem enormen Arbeitsaufkommen – unter anderem durch Geflüchtete aus Nahost, Afrika und der Ukraine – ohne dass ausreichend Kapazitäten für notwendige strukturelle Reformen geschaffen wurden. Weder die Einführung einer eAkte noch eine umfassende Modernisierung etablierter Prozesse konnte umgesetzt werden. Das Ergebnis: Chaos, das sich in dramatischen Szenen wie in Stuttgart zuspitzt.

Für Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft, die in Deutschland leben und arbeiten, bedeutet das ständige Unsicherheit: Werden Aufenthaltsgenehmigungen rechtzeitig verlängert, oder droht das Risiko, das Land verlassen zu müssen? Arbeitgeber bangen um dringend benötigte Fachkräfte, die oft schon ein fester Bestandteil ihrer Teams sind. Diese Unsicherheit belastet nicht nur die Betroffenen psychisch, sondern gefährdet auch Unternehmen, die auf diese Mitarbeiter angewiesen sind.

Das Auslandsportal des Auswärtigen Amtes zeigt, dass digitale Projekte erfolgreich umgesetzt werden können. Doch Transformationen müssen ganzheitlich entlang der gesamten Prozesskette gestaltet werden – beispielsweise orientiert an Lebenslagen der Nutzer. Dies erfordert eine stärkere ressort- und ebenenübergreifende Zusammenarbeit, die bislang fehlt.

Warum die Verwaltungstransformation jetzt Priorität haben muss

Verwaltung ist das Rückgrat der Demokratie. Sie setzt politische Entscheidungen um und sorgt für gesellschaftliche Stabilität. Doch dieses Rückgrat droht zu brechen. Wenn Politik seine Vorhaben nicht effizient umsetzen kann, verliert er nicht nur an Glaubwürdigkeit, sondern treibt Bürger in die Arme der politischen Ränder. Erst recht, wenn Bürger das Gefühl haben, dass der Staat Geflüchteten oder anderen Bedürftigen hilft, sie selbst aber gegängelt werden und ewig auf Leistungen warten müssen, wenn sie diese in einer Situation der persönlichen Not beantragen müssen. 

Die kommende Legislaturperiode wird entscheidend sein. Ohne eine leistungsfähige Verwaltung sind jegliche politische Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Das Vertrauen der Bürger in den Staat wird weiter erodieren, wenn er nicht zeigt, dass er handlungsfähig ist. Die Verwaltungstransformation muss zur Chefsache werden – nicht nur, um Lebenschancen zu schützen und zu erweitern, sondern um die Demokratie selbst zu bewahren.

Dieser Text erschien zuerst auf Seite 6 in der Sonderbeilage „Government Technology“ des Handelsblatts am 20. Februar 2025.

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Gastbeitrag: Von Estland lernen? Vielleicht lieber von uns selbst

Waren Sie schon einmal bei einem Coach oder einer Therapeutin? Herzlichen Glückwunsch! Sich mit den eigenen Verhaltensmustern zu beschäftigen, gehört zu den besten Dingen, die man für sich tun kann. Manchmal frage ich mich, ob die deutsche Verwaltungsdigitalisierung nicht auch einen Coach bräuchte – sofern sie ein Subjekt wäre, das dies könnte.

Stellen Sie sich vor, wie das wäre: Die Verwaltungsdigitalisierung säße auf einem gemütlichen Sessel – einem grünen, samtenen – während nebendran ein kleiner, dunkel gebeizter Holztisch mit einer Box Taschentücher steht, bereit, die sich anbahnenden Tränen aufzufangen. Die Verwaltungsdigitalisierung würde schluchzend klagen: „Ich habe so spät angefangen, so viel falsch gemacht. Ich bin eine Enttäuschung für alle.“ Und der Coach? Der würde sicher antworten: „Nein, das bist du nicht. Lass uns die Dinge genauer anschauen.“ Gemeinsam würden sie herausarbeiten, dass zwar vieles schieflief, aber auch vieles möglich ist und war – gerade dann, wenn man die existierenden Stärken nutzt: Fachkompetenz, Technologien, Ideen.

Leider hat die deutsche Verwaltungsdigitalisierung keinen Coach. Stattdessen gibt es eine öffentliche Debatte, die ihr regelmäßig signalisiert: „Du bist wirklich eine allumfassende Versagerin!“ – und alle scheinen es zu glauben. Was, wenn wir nicht nur die Verwaltungsdigitalisierung, sondern auch uns selbst davon lösen würden und stärker darauf schauen, was bereits funktioniert? Nicht, um Fehler zu ignorieren, sondern um Motivation zu schaffen.

Daher möchte ich vorschlagen, dass wir mal eine Reise durch die Bundesrepublik machen, statt nach Estland, Österreich oder Singapur zu fahren. Denn so hilfreich solche Inspirationsreisen sind – bei Reisen durch die Bundesrepublik finde ich Ideen, die ich vom selben System her kopieren kann. Ich brauche weder sprachliche Anpassungen, noch muss ich es an ein föderales System oder deutsche Gesetzgebung anpassen (die Unterschiede bei Anwohnerparkscheinen et cetera lassen wir nun mal außer acht). Eine Reise durch Deutschland lohnt nicht nur, weil Wattenmeer, Moselregion und die sächsische Schweiz auch schön anzusehen sind – sondern auch, weil man durch die Reise erfahren kann, dass wir das hier wirklich können mit der Verwaltungsdigitalisierung. Aber kommen wir erstmal an in Deutschland.

„Hallo, Deutschland“ – ein nutzerzentrierter Einstieg in dieses Land

Welches Bild hat das Ausland eigentlich von Deutschland? Neuerdings ein richtig hübsches und nutzerzentriertes! Denn das Auslandsportal vom Auswärtigen Amt ist nicht nur in Rekordzeit fertiggestellt worden, es hat sogar fristgerecht alle Botschaften angeschlossen, sodass jetzt von überall aus in der Welt ein Visum für Fachkräfte oder ein Antrag auf die Chancenkarte digital gestellt werden kann. Nichts davon mitbekommen? So ist das leider, wenn Projekte reibungslos laufen.

Wir durften uns beim Beirat zur Umsetzung der Digitalstrategie beim BMDV dieses Leuchtturmprojekt aus der Nähe ansehen und da zeigte sich, wie wichtig besonders zwei Dinge sind: zum einen Projekt- und Prozessmanagementkenntnisse, die im Team vorhanden sind und zum anderen Umsetzungsexpert:innen aus den Auslandsvertretungen, die einfach wissen, wie der Hase bei Visa-Verfahren und in den Auslandsvertretungen läuft. Klingt simpel – ist es auch. 

Obgleich ich nicht sagen will, dass das Projekt ein Selbstläufer war. Ganz und gar nicht! Was ich aber betonen will: Wir haben unfassbar viel Fachkompetenz in unseren Verwaltungen. Wir müssen sie nutzen und sie mit den Digitalisierungsexpert:innen zusammenbringen. Die Ideen für eine Verbesserung und/oder Transformation eines Prozesses, wie das der Visa-Beantragung sitzt schon in den Köpfen der Mitarbeiter:innen – nutzen wir es und geben wir ihnen auch die entsprechende Arbeitszeit, sie im Digitalisierungsprojekt einzubringen.

Neue Wege? Gehen wir!

Wissen Sie noch? Corona? Und die Energiekostenpauschale für Studierende? Was war das für ein öffentliches Drama – vornehmlich die politische Diskussion in der ziemlich viel ausgehandelt werden musste. Das hätte besser laufen können, aber vergessen wir nicht, dass wir in einer Situation der Unsicherheit waren. Als das dann aber geklärt war, konnte es losgehen mit der Digitalisierung der Energiekostenpauschale. Knappe eineinhalb Monate nach dem Auftrag vom Bundesbildungsministerium an das Land Sachsen-Anhalt, das für Bildungsthemen im Rahmen der OZG-Umsetzung zuständig ist, war das Portal auch schon online. Und ja, die Server machten erstmal nicht mit. Hätte besser laufen müssen – aber dann! Na, auch nicht so viel über das Gute der Pauschale gehört? Schade, dass wir so wenig drüber reden, oder?

Als eingeschriebene Studentin durfte ich die Pauschale beantragen. Ich habe es mit meinem Elsterzertifikat getan. Klick, klick, klick – alle meine Daten waren da, noch meine IBAN-Nummer und fertig war der Antrag. Abgeschickt, Eingangsbestätigung per Mail und nur wenige Minuten später eine Bewilligung im Postfach. „Was ist da los?“, fragte ich mich und war begeistert von dieser Verwaltungserfahrung. Zwei Tage später hatte ich das Geld auf dem Konto. Warum wir das nicht direkt für das Klimageld übernommen haben? Das ist wohl eine andere Geschichte.

Probleme? Ändern wir!

Reisen wir aber von Sachsen-Anhalt weiter nach Cottbus. Dort sitzt nämlich die Tierseuchenkasse Brandenburg. Wenn man sich mit Verwaltungsdigitalisierung beschäftigt, dann erfährt man plötzlich von Dingen, von denen man nie im Leben dachte, dass sie existieren. So ging es mir mit dieser Kasse. Und wenn man sich mit Verwaltungsdigitalisierung beschäftigt, dann sprechen Freund:innen einen abends in der Bar auch gerne auf ihre Erfahrungen mit der Verwaltung an – gerne auch mal die guten. Und dazu zählt diese Tierseuchenkasse. Die Story in Kürze: Früher hat ein Pferdestall alle dort ansässigen Pferde gesamt gemeldet, dann gabs eine Änderung, dass jede:r Besitzer:in das selber machen muss – Chaos, Papierberge, Verwirrung. Also Prozess digitalisiert und nun: glückliche Pferdebesitzer:innen. Alles easy, alles smooth – ich hoffe auch für die Mitarbeiter:innen am anderen Ende des Prozesses. Aber nehmen Sie sich das doch mal zum Vorbild: von guten Erfahrungen mit der Verwaltung erzählen. Ich wette, es gibt sie!

Führungskräfte! Reden wir!

Ich schreibe diese Reiseempfehlung ja auch, weil ich es leider zu häufig erlebe, dass Spitzenpolitiker:innen öffentlich sagen, dass wir mal KI in der Verwaltung bräuchten. „Was man da alles bei der Bundesagentur für Arbeit und der Rente machen könnte!“, wurde wirklich so auf einem Panel, das ich moderierte, gesagt. Natürlich gab ich sofort den Hinweis, dass man sich wirklich dringend mal die beiden Verwaltungen von innen anschauen müsse, denn bei beiden passiert in diesem Bereich schon sehr viel. Wir sind auf unserer Reise jetzt aber erstmal in Nürnberg bei der Bundesagentur für Arbeit – die, weil sie ja ein bisschen Ahnung vom Thema Arbeit hat – auch so stark auf Automatisierung und KI setzt, weil sie weiß, dass der jetzt schon existierende Fachkräftemangel nur noch stärker werden wird. Es ist hinlänglich bekannt, dass der demografische Wandel die Verwaltung mit voller Wucht treffen wird und KI und Automatisierung ganz viel auffangen müssen.

Und so großartig die Anwendungen für interne Abläufe, Wissensmanagement und Kundeberatung sind, so möchte ich bei diesem Beispiel doch auf einen anderen Punkt hinaus: die Rolle der Behördenleiterin Andrea Nahles. Es mag trivial klingen, was ich jetzt sage, aber unter anderem meine Arbeit im Beirat zur Digitalstrategie Deutschlands zeigte mir, dass es das nicht ist: Es ist von unfassbar wichtiger Bedeutung, dass sich oberste Führungskräfte mit dem Thema KI befassen, das Thema treiben und nach außen und innen klar machen, wie KI eingesetzt werden soll. Das nimmt nämlich viele Ängste, die gerade bei neuen Technologien in Deutschland sowohl in der Verwaltung selbst als auch in der Gesellschaft allgemein, bekanntlich herrschen. Also: nicht nur Prozesse und Software abschauen, sondern auch, mit welchen Themen sich andere Führungskräfte befassen und wie sie darüber kommunizieren kopieren!

Digitale Verwaltung erleben: Mit Schaf oder neuer Wohnung

Mit digitalen Verwaltungsdienstleistungen ist es ja so eine Sache. Die Erfahrung mit der Tierseuchenkasse werde ich wahrscheinlich nie machen, es sei denn, ich lege mir doch mal ein Schaf zu. Ein Visum für Deutschland werde ich auch nie beantragen müssen. Dass ich nochmal in der Uni eingeschrieben war, war Zufall und von dem KI-Einsatz der Bundesagentur erfuhr ich erstmals durch Interviews von Andrea Nahles. Auch umziehen werde ich dank des Berliner Wohnungsmarktes erstmal nicht – aber würde ich das tun, ich würde was erleben!

So las ich gerade erst von einem guten Bekannten, dass ein Familienmitglied sich digital ummeldenkonnte – inklusive postalisch zugeschicktem Sticker mit neuer Adresse zum selbst überkleben für den Personalausweis. Ja sapperlot, dachte ich da, in welche futuristische Stadt ist denn da jemand gezogen? Um das Angebot zu verifizieren – man glaubt es ja sonst nicht – stieß ich auf eine lange Liste an deutschen Kommunen, bei denen das auch möglich ist. Proudly provided by Hansestadt Hamburg. „Einer für alle“ funktioniert also – nahezu deutschlandweit und selbst in Berlin.

Look at the bright side of Verwaltungsdigitalisierung

Nun, da ich mir weder ein Schaf zulegen werde noch plane, eine neue Wohnung zu suchen, wird es bei mir erstmal seltener passieren, dass ich persönlich die Verwaltung digital erlebe. Aber mir hilft es, dass andere von ihren Erfahrungen erzählen. Denn das bestätigt mich darin, dass – auch wenn nicht alles perfekt ist – aber wir das gesamte Rüstzeug für den Weg zu einer digitalen Verwaltung haben.

Ich weiß, ich habe echt vielen unrecht damit getan, dass ich sie hier nicht erwähnt habe. Sollte dieses Gefühl bei meinen Leser:innen aufkommen, dass ich diese oder jene super digitalisierte Verwaltungsleistung vergessen habe, habe ich genau das erreicht, was ich wollte: Die Erinnerung daran, wie viel schon gut funktioniert. Sich das anzuschauen, heißt keineswegs zu ignorieren, was alles noch nicht geht. Aber es bestärkt einen und eine ganze Gesellschaft, dass wir das, was noch nicht geht, auch noch funktionstüchtig bekommen können. Und es tut uns allen gut, wenn wir ein bisschen mehr darauf schauen, zu was wir bisher schon fähig waren und was wir mit diesen Fähigkeiten noch erreichen werden. Zumindest würde der Coach der Verwaltungsdigitalisierung uns das raten. Und nun freue ich mich auf ganz viele öffentliche Hinweise auf bereits hervorragend laufende Lösungen der Verwaltungsdigitalisierung!

Dieser Text erschien am 22. Januar 2025 zuerst im Tagesspiegel Background Smart City.

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Gastbeitrag: Wie Deutschlands Verwaltung zukunftsfähig wird

Effizienz und Transformation in der Verwaltung sind zentrale Herausforderungen, denen sich moderne Staaten stellen müssen. Doch während einige auf radikale Vorbilder wie Elon Musk und seine umstrittenen Ansätze blicken, bleibt oft unbeachtet, welche Ideologie und Konsequenzen dahinterstehen. Musk verkörpert eine libertäre Vision, die nicht nur die Rolle des Staates infrage stellt, sondern auch grundlegende soziale Sicherungssysteme bedroht. Musks Herangehensweise kann kein Vorbild für die Verwaltungstransformation in Deutschland sein. Stattdessen müssen wir auf unsere eigenen Stärken und politischen Willen setzen, um einen handlungsfähigen Staat zu schaffen.

Musks Ideologie: Ein libertärer Angriff auf den Staat

Wer Musk und das von ihm künftig geleitete Departement of Government Efficiency (kurz: Doge, deutsch: Abteilung für eine effizientere Regierung) als Vorbild preist, ignoriert die Ideologie hinter seinem Vorhaben. Musk ist kein Verfechter einer liberalen Demokratie, sondern ein Libertärer, der vom Staat nicht viel hält – außer wenn es um Subventionen für seine Unternehmen oder lukrative Verträge für SpaceX geht. Einsparungen sind sein erklärtes Ziel, nicht Effizienz. Das zeigt sich daran, dass er etwa finanzielle Unterstützung für Gesundheitsversorgung und Veteranen streichen will. Seine Liste von Personen aus der Verwaltung, die er öffentlichkeitswirksam entlassen möchte, zeigt eine autoritäre Denkweise, die ebenfalls mit Effizienz nichts zu tun hat. Das ist die rechtspopulistische Verteufelung von „Bürokraten“, die nach der Verteufelung politischer Eliten im Weltbild dieser Leute nur folgerichtig scheint.

Zwischen Radikalität und Passivität: Ein handlungsfähiger Staat braucht mutige Politik

Dass Verwaltung effizienter werden muss, ist unbestritten. Doch auf Musk zu warten, um mögliche Erkenntnisse zu übernehmen, ist nicht nur naiv, sondern auch gefährlich. Deutschland hat keine Zeit, zuzuschauen. Unsere Verwaltung hat heute bereits 570.000 unbesetzte Stellen – bis 2030 könnte diese Zahl auf eine Million steigen. Das wäre für einen Staat, der im internationalen Vergleich ohnehin wenig Verwaltungspersonal pro Kopf hat, verheerend.

Wir haben allerdings auch nicht viel Zeit, um auf Ergebnisse der Arbeitsgruppen unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Steinmeier zu warten. So ehrenwert das Engagement aller Beteiligten ist und so gut ich es finde, dass sich des Themas auf dieser Ebene von Personen mit einem gewissen Renommee angenommen wird. Unsere Antwort auf die Herausforderung muss irgendwo zwischen einem autoritären Libertären liegen, der von Verwaltung und Bürokratie nichts hält, und einer Kommission, die leider abseits des aktiven politischen Handelns arbeitet. Das bedeutet daher für die nächste Regierungskoalition, dass sie zwingend das Thema Verwaltungstransformation ganz oben auf die Prioritätenliste setzen muss.

Aber nicht nur das, es braucht auch jemanden, der bereit ist, sein oder ihr politisches Gewicht in die Waagschale zu werfen, um die notwendigen und zeitlich drängenden Veränderungen voranzubringen, die zu einem leistungs- und handlungsfähigen Staat führen. Dabei dürfen alle künftigen Minister:innen nicht vergessen, dass eine leistungsfähige Verwaltung Grundlage dafür sein wird, ob sie ihre politischen Vorhaben überhaupt umsetzen können und zeitnah, wirkungs- und nutzerzentriert zu den Bürger:innen oder den Unternehmen zu bringen.

Effizienz statt Abbau: der leistungsfähige Staat ist das Ziel

Das bedeutet auch, dass klar werden muss – auch in der politischen Kommunikation im Wahlkampf –, dass Bürokratieabbau allein kein Ziel sein kann. Vielmehr wird es ein Produkt sein, das beim Erreichen des eigentlichen Ziels mit abfällt. Und dieses Ziel muss ganz konkret der leistungsfähige Staat sein.

Bürokratie – so ermüdend und oft überflüssig so manch ein Bericht für Unternehmen oder auch innerhalb der Verwaltung ist – ist nicht das vorrangige Problem, das Bürger:innen und Unternehmen haben. Es ist die Kompliziertheit von Anträgen, die häufig Misstrauen oder Partikularinteressen widerspiegeln, die im parlamentarischen Prozess in Gesetze einfließen. Es sind nicht-optimierte Prozesse, die, im schlimmsten Fall, auch noch vom Analogen eins-zu-eins ins Digitale übertragen wurden. Es sind Ängste vor einer digitalen Identität, der nicht so viel zugetraut wird wie der händischen Unterschrift. Es ist der Unwille, Gesetze und Normen dahingehend zu überprüfen, ob sie schlank ins Digitale transformiert werden können. Für so etwas hilft nicht unbedingt ein „one in, one out“-Vorhaben, denn schlimmstenfalls wird ein neuer Prozess eingeführt, der weder abbildbar noch digital durchführbar ist und damit als „bürokratisch“ wahrgenommen wird. Die Lösung muss also darin liegen, Gesetze von vornherein anders zu denken, zu gestalten und auf ihre Wirkung zu achten.

Die Trägheit der Systeme

Allerdings ist das System Verwaltung träge. Damit müssen wir umgehen. Das bedeutet, dass wir uns mit Transformationsfragen differenzierter beschäftigen müssen. Also nicht bloß mit der Frage, wie man eine Leistung digital bekommt, sondern gerade im föderalen System mit Steuerungsfragen, mit Implikationen für die Art des Arbeitens innerhalb der Verwaltung und den gesellschaftlichen Implikationen, ökonomischen Folgen, gerade für kleine IT-Dienstleister. Diese Fragen werden auch Musk begegnen – und meiner Prophezeiung nach – um die Ohren fliegen. Denn jedes System wird ohne Antworten auf diese Fragen vollends in sich zusammenfallen (wenn das nicht eh sein Ziel ist).

Lineares Denken, im Sinne von „es muss nur dieser eine Schalter umgelegt werden“ (oder eben das Handeln von Musk), ist ein Fehlschluss, der davon ausgeht, der Rest der Welt sei unbeweglich. Das heißt, auch ein echtes Digitalministerium allein wird es nicht richten – so nötig auch ich es mittlerweile finde.

Vom Objekt zum Subjekt: Ein Paradigmenwechsel innerhalb der Verwaltung

Um der Trägheit entgegenzuwirken ist auch ein Paradigmenwechsel innerhalb der Verwaltung notwendig. Verwaltung sieht sich regelmäßig eher als Objekt, denn als handelndes Subjekt. Transformation ist aber etwas, das nicht über sie kommt, sondern etwas, das sie selbst gestalten muss. Insbesondere ihre Führungskräfte. Ebenfalls dazu gehört, dass sich politische Entscheidungsträger der Vollzugsexpertise innerhalb der Verwaltung stärker annehmen müssen – gerade auch derer aus den Kommunen. Regelmäßig wird beispielsweise zum Thema Bürokratieabbau die Wirtschaft angesprochen und um Vorschläge gebeten, um Prozesse zu verbessern. Dabei sind auch innerhalb der Verwaltung enorme Potenziale zur Verbesserung vorhanden. Und das Gute ist: äußerst vielen Verwaltungsmitarbeitenden sind diese bewusst. Sie arbeiten bereits mit Maßnahmen daran, bürokratische Hemmnisse abzubauen.

Ein Beispiel dafür ist das Hamburger Projekt „HELP“ (Hamburger Effizienzlandkarte durch Prozessanalyse). Es zeigt, wie strukturelle Prozessoptimierung in der öffentlichen Verwaltung funktionieren kann. Ziel ist es nicht nur, Prozesse effizienter zu gestalten, sondern sie grundlegend zu hinterfragen: Wird die richtige Aufgabe auf die richtige Weise erledigt? Dabei geht es um mehr als nur Effizienzgewinne – es werden Mehrwerte für Mitarbeitende und Bürger:innen geschaffen. Solche Ansätze müssen skaliert und von anderen Verwaltungseinheiten kopiert werden.

Die Zukunft wartet auf unser Handeln

Deutschland hat alles, was es für eine erfolgreiche Verwaltungstransformation braucht: engagierte Mitarbeitende, bewährte Konzepte und die Technologien von morgen. Was fehlt, ist der politische Wille, diese Potenziale zu heben und die Verwaltung als Fundament einer funktionierenden Demokratie zu stärken. Denn ein leistungsfähiger Staat ist nicht nur der Schlüssel für Problemlösungen in der Politik, sondern auch für das Vertrauen der Bürger:innen in unsere demokratischen Institutionen. Die Zeit zu handeln ist jetzt.

Dieser Text erschien am 11. Dezember 2025. zuerst im Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI.

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Unsere Demokratie hängt von der Verwaltungstransformation ab

63 Prozent der öffentlich Beschäftigten halten den Staat, für den sie arbeiten, für überfordert [1]. Bis 2030 könnten dem öffentlichen Dienst ohne Gegenmaßnahmen über eine Million Fachkräfte fehlen [2]. Das sind ein Fünftel der heute Beschäftigten. In allen anderen Bereichen, insbesondere der Wirtschaft, haben wir erkannt, dass es durch den demografischen Wandel einen eklatanten Fachkräftemangel gibt; dass wir nicht mehr in der Lage sind, Stellen zu besetzen. Bei politischen Vorhaben und der öffentlichen Diskussion darüber, scheint dieser demografische Wandel und der Fachkräftemangel jedoch keine Relevanz zu haben. Da werden 5.000 neue Stellen zur Umsetzung der Kindergrundsicherung gefordert und die Diskussion beschränkt sich darauf, ob diese Anzahl der Stellen sinnvoll ist oder nicht – nicht darüber, ob wir überhaupt in der Lage wären, diese zeitnah zu besetzen und ob Staat im Jahre 2024 nicht anders funktionieren sollte, als durch Neueinstellung von Sachbearbeiter:innen. 

Dass 63 Prozent der öffentlich Beschäftigten den Staat nicht mehr für leistungsfähig halten, ist kein Bauchgefühl der Befragten. In Stuttgart mussten Menschen vor den Ausländerbehörden campieren, um einen der wenigen Terminslots zu bekommen [3]. Behörden sind schlichtweg überlastet, Menschen bewerben sich weg, sind wegen Burnout krankgeschrieben oder nehmen ihren wohlverdienten Urlaub. Auf die freien Stellen bewirbt sich niemand. In Sachsen protestieren noch vor der zunächst geplanten Streichung der Agrarsubventionen die Bauern, da Software nicht rechtzeitig angepasst werden konnte, um ihnen ihre EU-Gelder pünktlich zum 1. Januar auszuzahlen [4]. Dann, wann ihre Pacht und Versicherungen fällig werden und sie das Geld brauchen. Das Gesetz zur Ersatzfreiheitsstrafe konnte nicht wie eigentlich geplant zum 1. Oktober 2023 umgesetzt werden, da die Softwareanpassungen sich länger hinzogen [5]. 

Das alles sind keine Kleinigkeiten. Insbesondere nicht für die betroffenen Menschen und es ist nur ein kleiner Ausschnitt von Dingen, die nicht oder zu langsam gehen, weil Personal fehlt und die Transformation unserer Verwaltung, hin zu modernen Behörden, die digital arbeiten, zwanzig Jahre hinterherhinkt. 

An der Modernisierung unserer Verwaltung hängt auch der Glaube an die Demokratie

Schaut man in der genannten Studie des Deutschen Beamtenbundes ein paar Zeilen höher, erfährt man, was eigentlich die Bürger:innen über die Leistungsfähigkeit des Staates denken. Sie ist nicht überraschend mit 69 Prozent noch schlechter und über die Jahre ist dieser Wert gestiegen. Was bedeutet es für unser demokratisches System, wenn Menschen nicht mehr an die Leistungsfähigkeit dieses Staates glauben? Die Transformation unserer Verwaltung ist nichts, was nice-to-have ist. An hier hängt der Glaube an und das Vertrauen auf einen leistungsfähigen Staat, der mir unkompliziert die Leistungen bereitstellt, die ich brauche und die ich beanspruchen möchte. 

Der Normenkontrollrat hat in seiner jüngsten Studie, durchgeführt von Deloitte, die Komplexitätsfalle unseres Sozialstaates umfassend dargestellt [6]. In der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. März 2024 wurde anhand eines Beispiels dargelegt, was diese Komplexität für Leute bedeuten kann [7]: Menschen, die eh schon wenig haben, müssen nicht nur zu enorm vielen Anlaufstellen, sie leben auch immer in Sorge, dass sich komplexe Berechnungsgrundlagen ändern und sie Gelder zurückzahlen müssen. Gelder, die sie bekommen, weil es sonst nicht zum Leben reicht. 

„In dem Beispielfall ist es heute so: Der Haushalt erhält Kindergeld und Kinderzuschlag bei der Familienkasse, Wohngeld und Leistungen für Bildung und Teilhabe der Kinder beim Wohngeldamt, Arbeitslosengeld von der Arbeitsagentur, Sozialhilfe und Hilfe zur Pflege beim Sozialamt. Daneben gibt es Leistungen von Kranken- und Pflegekasse. Und Absetzung der Kinderbetreuungskosten sowie den Alleinerziehendenfreibetrag beim Finanzamt.

Noch umständlicher ist die Abwicklung durch die vielen Ämter. Denn die Höhe einer Hilfe hängt oft von der Höhe einer anderen ab, die sich wiederum nach dem individuellen Einkommen richtet. Obendrein sind wichtige Prüfkriterien je nach Sozialleistung im jeweiligen Gesetz unterschiedlich definiert. Ergebnisse der einen Antragsprüfung lassen sich dann schlecht zur Klärung anderer Ansprüche nutzen.

Für die 12 Leistungen im Musterfall seien „mindestens vier verschiedene Einkommensbegriffe und drei verschiedene Begriffe der häuslichen Lebensgemeinschaft anzulegen“, zeigt die Studie. Und sollte „ein künftiges Arbeitseinkommen des Vaters über der Freigrenze liegen und schwankend sein, ist die Berechnung monatlich neu vorzunehmen“. Zudem drohten ihm Rückforderungen durch die Wechselwirkungen zwischen den Leistungen. 

Das Beispiel ist extrem, verdeutlicht damit aber die tieferliegenden Probleme, um deren Lösung es dem Normenkontrollrat und den Gutachtern geht: Der Sozialstaat hat einen riesigen Verwaltungsaufwand, er braucht enorm viel Personal allein fürs Be- und Abrechnen von Leistungen. Aber Bedürftige werden oft eher überfordert als zufriedengestellt. Außerdem steht der Wirrwarr von Regeln und Zuständigkeiten dem Ziel im Weg, den Aufwand durch Digitalisierung zu senken. Und selbst eine Supersoftware löste nicht das Problem, dass die fachlich und föderal verzweigten Behörden oft unterschiedliche IT-Systeme mit inkompatiblen Schnittstellen nutzen.“

Wer also das – wie ich finde richtige – politische Ziel verfolgen will, Kinderarmut zu bekämpfen und Menschen die Leistungen zukommen lassen will, die ihnen zustehen, der kann – und darf! – sich nicht an den 5.000 Stellen für die Familiencenter aufhalten. Denn das Festhalten hieran verkennt die Realitäten des Arbeitsmarktes – 5.000 Stellen lassen sich zudem nicht über Nacht besetzen, selbst wenn es die qualifizierten Arbeitskräfte gäbe (und hier haben wir noch nicht über die Anforderungen des TVÖD an die formalen Qualifikationen gesprochen!) –, und es verkennt, dass die Komplexität unseres Sozialsystems ein enormes Problem darstellt. Und da stimme ich mit dem NKR überein: Es darf bei einer Komplexitätsreduktion nicht darum gehen, Sozialleistungen zu kürzen. Es muss darum gehen, den Staat wieder handlungs- und leistungsfähiger zu machen. Dazu gehört auch, die Einzelfallgerechtigkeit, die nicht nur in Deutschland zu enormen Verzögerungen führt (vgl. Jennifer Pahlka “Recoding America. Why Government is Failing in the Digital Age and how we can do better”), abzuschwächen und zu pauschalen Bewilligungen zu gelangen. Dafür ist auch zu plädieren, weil die Komplexität unserer Sozialleistungen einfach nicht mehr abbildbar ist – weder auf einem Blatt Papier, noch digital. 

Unsere Sozialleistungen und die Ansprüche darauf, sind mittlerweile so komplex und kompliziert, dass ich keine Person persönlich kenne, die keine Probleme beim Stellen von Elterngeldanträgen hat. Wohlgemerkt alles Akademiker:innen, teilweise Volljurist:innen. Was bedeutet es für unsere Demokratie und Gesellschaft, wenn Bürger:innen nicht mehr selbstständig verstehen (können), was ihnen zustehen könnte und was nicht? Was bedeutet es, wenn Menschen nicht von Zuhause aus ihre Leistungen beantragen können, weil sie sich nicht trauen zu einem Amt zu gehen oder Krankheiten und Behinderungen sie gar davon abhalten? Was bedeutet es, wenn Menschen auf Gelder zum Überleben angewiesen sind, der Staat sie aber wegen Personalmangels und überaus komplexer Prozesse und Überprüfungen nicht rechtzeitig auszahlen kann?

Verwaltungsdigitalisierung muss in die breite öffentliche Diskussion

Vor wenigen Wochen wurde das Onlinezugangsänderungsgesetz (OZG 2.0) vom Bundesrat gestoppt. Eine Diskussion im Parlament gab es nicht. Nicht nur die Bremse dieses Gesetzes schockierte mich (ein Vermittlungsausschuss ist bisher nicht angerufen worden), sondern auch, dass keine Begründungen der Ablehnung im Bundesrat diskutiert wurden. Ebenso, dass danach auch nur kurz und mit recht wenig Aufmerksamkeit berichtet wurde. 

Alle politischen Parteien fordern eine digitale Verwaltung. Nahezu alle Bürger:innen wollen eine digitale Verwaltung für ihre Anliegen. Interessieren tun sich für die Umsetzung dann aber doch zu wenige. Vielmehr wird nicht erkannt, welche Bedeutung diese Generationenaufgabe einer Transformation für uns als Gesellschaft und demokratischen Staat hat. Wir können es uns nicht mehr leisten, politische Diskussionen wie zu Bonner-Republik-Zeiten zu führen und meinen, wir lösen unsere politischen Probleme und Herausforderungen der Verwaltung mit mehr Personal. Das ist schlicht nicht da und der Anspruch an Verwaltung hat sich ebenfalls geändert. 

Amy Webb kritisierte jüngst in der Süddeutschen Zeitung den fehlenden Willen der deutschen Wirtschaft, sich zu verändern [8]. Das scheint nicht nur für die Wirtschaft zu gelten, sondern auch für uns als gesamte Gesellschaft. Wir müssen lernen, anders zu denken, wie politische Maßnahmen in Verwaltungshandeln umgesetzt werden können. Machen wir weiter wie bisher, lähmt uns nicht nur die bis dahin noch größer gewordene Komplexität komplett, es werden auch nicht mehr genügend Leute in den Verwaltungen sitzen, die die Komplexität dank ihrer jahrelangen Verwaltungserfahrung verstehen und anwenden können. Verwaltungsdigitalisierung und -transformation muss viel stärker auf unsere gesellschaftliche und politische Agenda. Davon hängt die Zukunft unseres Gemeinwesens und unserer Demokratie ab. Es campierten schon genügend Leute vor Ämtern. 

[1] https://www.dbb.de/fileadmin/user_upload/globale_elemente/pdfs/2023/forsa_2023.pdf S.5

[2] https://www.pwc.de/de/branchen-und-markte/oeffentlicher-sektor/fachkraeftemangel-im-oeffentlichen-sektor.html 

[3] https://www.t-online.de/region/stuttgart/id_100238498/stuttgart-auslaenderbehoerde-versinkt-im-chaos-wegen-fehlender-mitarbeiter-.html 

[4] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/agrar-dresden-schnelle-hilfe-fuer-bauern-gefordert-protest-am-landtag-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-231101-99-781483

[5] https://www.golem.de/news/it-umstellung-halbierung-der-ersatzfreiheitsstrafe-verschoben-2308-177117.html

[6] https://www.normenkontrollrat.bund.de/Webs/NKR/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/24-03-26-nkr-gutachten-sozialleistungen.html

[7] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wie-der-sozialstaat-zum-buerokratiemonster-wurde-19611136.html[8] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sxsw-amy-webb-innovationen-deutschland-1.6439743?reduced=true

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Digitale Transformation braucht starke Netzwerke

In meiner Twitter-Bio steht: „you’ll probably hear about the Hackhähnchen“. „Häckhähnchen?!“, werden Sie sich fragen – und ja, ich stopfe ein Hähnchen mit Hackfleisch (aber auch mit Reis und Mandelsplittern) und serviere das dann. Zum „Hackhähnchen“ möchten mittlerweile viele kommen. Etwas stolz macht mich das schon. Es ist aber nicht wegen des gestopften Hähnchens selber – das merken die Gäste spätestens bei der Ankunft – sondern bei dem Format „Hackhähnchen“, das sich mehr aus Zufall entwickelt hat.

Ich koche gerne und wollte immer einen großen Esstisch haben. Als ich den endlich hatte, lud ich elf Freund:innen ein und dieses Format etablierte sich. Es kamen auch Menschen hinzu, die ich gar nicht kannte, aber spannend fand und eigentlich erst an meiner Wohnungstür kennenlernte. Ich wollte Menschen zusammenbringen, bei denen ich dachte, dass sie sich mal kennenlernen sollten. Weil sie sympathisch sind, klug, witzig und spannende Dinge tun. Und einige wollte ich selber auch einfach mal kennenlernen.

So entstand das Hackhähnchen, das heute irgendwas zwischen Mysterium und Running Gag ist, aber vor allem ein privates Format, das mir viel Freude bereitet ­und meinen Gästen auch. Sie vergrößern ihr Netzwerk und ich bin froh, dass so Menschen zusammenfinden, die auf unterschiedliche Weisen die Probleme dieser Welt lösen. Allein kann das schließlich niemand. So haben sich zum Beispiel ein Professor und ein ehemaliger Mitarbeiter von ProSiebenSat1 bei mir kennengelernt und mir später erzählt, dass sie zusammen an einem Projekt gegen Cybermobbing gearbeitet haben – eine Kampagne im Rahmen von Germany’s Next Top Model.

Magie des Netzwerkens

Das ist für mich die Magie des Netzwerkens: Man lernt neue Leute kennen, durch den Austausch entstehen neue Synergien, es werden neue Ideen geboren und manchmal kann sich unverhofft weitergeholfen werden. Vielleicht direkt am selben Abend, vielleicht erst Wochen oder Jahre später. Vielleicht auch nie. Ein Mehrwert ist trotzdem da: Man hatte einen angeregten Abend.

Warum erzähle ich das? Netzwerke haben einen enormen Wert. Das ist eigentlich keine Neuigkeit. Für die öffentliche Verwaltung aber schon. Um das Netzwerken und den Austausch in diesem Bereich zu fördern, wurde 2018 das Next-Netzwerk gegründet, das ein eingetragener Verein ist. Seit März diesen Jahres darf ich die Geschäftsstelle leiten. Das Next-Netzwerk ist der Ort, wo die „Gold Nuggets“ der Verwaltung zusammenkommen, so sagte es die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg. Und sie hat Recht.

Mit wenig Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung, aber mit der Hypothese, dass wir zahlreiche kluge, talentierte, motivierte und kreative Menschen im öffentlichen Dienst haben, bin ich an die neue Tätigkeit herangegangen und diese Erwartung wurde mir nicht nur bestätigt, sondern auch übertroffen.

Insbesondere in den Kommunen haben wir Menschen sitzen, die allen Widrigkeiten zum Trotz unsere Verwaltung kreativ und mit viel Elan transformieren. Die Widrigkeiten sind – und damit bestätigte sich meine zweite Hypothese – Prozesse und Strukturen, an denen ein Vorankommen bei der Transformation unserer Verwaltung scheitert. Vorgaben, die nicht zu erfüllen sind, die Fernab der Bedarfe der Kommunen sind und vor allem, wiein der Verwaltung insbesondere im Bund, immer noch gearbeitet wird.

E-Mail-Anhänge sind kein Kollaborationstool

Das ist auch etwas, das mir bei meiner Tätigkeit im Beirat zur Umsetzung der Digitalstrategie Deutschlands aufgefallen ist und vor einigen Tagen Netzpolitik sagte: Wie kann gute, zeitgemäße Zusammenarbeit zwischen den Ressorts erfolgen, wenn das einzige Kollaborationstool der E-Mail-Anhangist? Das ist nicht nur müßiges Arbeiten, es ist auch fehleranfällig und kostet viel Zeit und Geld.

Über den Fachkräftemangel, der sich durch die Pensionierungswelle nochmal verschärfen wird, und die Attraktivität von Bundesministerien als Arbeitgeber haben wir da noch gar nicht gesprochen. Die Ampel-Koalition hat sich im Koalitionsvertrag eigentlich vorgenommen, dass sie das Silodenken zwischen den Ressorts überwinden möchte und das Arbeiten agiler und digitaler erfolgen soll. Maßnahmen dafür kann ich leider noch nicht erkennen.

Wir werden uns noch lange darüber unterhalten können und müssen, wie Leuchtturmprojekte in die Fläche kommen, warum Digitalprojekte scheitern und wie viel Geld wir wirklich verschwenden, wenn Projekte nicht nachhaltig verankert und damit finanziert werden. Wir müssen uns auch im öffentlichen Dienst stärker damit beschäftigen, wie wir miteinander arbeiten wollen und sollten, um gerade in Zeiten knapper werdender Haushaltsmittel alle möglichen Effizienzen zu heben. 

Next kann und will dafür eine Maßnahme sein. Bei uns kommen Menschen der öffentlichen Hand zusammen, die aus eigenem Antrieb heraus ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in unseren Communites miteinander teilen wollen. Das sind Menschen, die Spaß am Austausch über digitale Themen haben, Gleichgesinnte in ihren Fachgebieten suchen und einen Mehrwert im Vernetzen sehen. Sie haben begriffen, dass die digitale Transformation nur gelingt, wenn man das eigene Wissen teilt und Kontakte knüpft. Zum Beispiel durch unsere Speeddating-Sessions während unserer Communities, um Menschen kennen zu lernen, die man mal anrufen kann, wenn man Rat braucht oder doch nochmal weiter über eine skizzierte Herausforderung sprechen möchte. 

Mit über 3.000 Aktiven in unseren Communities sehen wir, wie hoch der Bedarf ist und der Wille sich auszutauschen und zu lernen – dass Vernetzung ein elementarer Bestandteil der Verwaltungsmodernisierung ist. Ebenso wie Fähigkeiten im Projekt- und Innovationsmanagement.

Kulturwandel für die Transformation

Verwaltungsmodernisierung ist so viel mehr als Onlinezugangsgesetz (OZG) und Registermodernisierung. Um die Transformation der Verwaltung erfolgreich umzusetzen, braucht es einen Kulturwandel, der agilere Strukturen und nachhaltigere Prozesse integriert, eine angemessene Organisationsentwicklung und starke Netzwerke, in denen gemeinsam auf den Wandel in der Verwaltung hingewirkt werden kann. Verwaltungsmodernisierung ist bedeutsamer, als manch einer meinen mag. Das Vertrauen in einen funktionierenden Staat und damit unser demokratisches System hängt davon ab. 

Die Koalition hat die Bedeutung dieses Bereichs dadurch erkannt, dass sie ihn zum Thema des ersten Kapitels im Koalitionsvertrag machte. Diese Bedeutung sollte sich auch in den kommenden Haushaltsverhandlungenwiderspiegeln. All die Formate und Vorhaben, die für die Verwaltungsmodernisierung von Bedeutung sind, brauchen Mittel im Haushalt. Dazu gehören der Digitalcheck, die Work4Germany-Fellowships, das Govlab und natürlich auch Next.

Zurück zum Hackhähnchen: Das Rezept werde ich weiterhin nicht preisgeben. Aber mein Rezept für erfolgreiches Netzwerken: Habt Spaß dabei! Glaubt daran, dass jedes Gespräch, jeder neue Kontakt wertvoll ist. Selbst wenn man nur einmalig einen bereichernden Abend hatte.

Dieser Beitrag erschien am 15. Juni 2023 zuerst im Tagesspiegel Background Smart City & Verwaltung.

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Mehr Digitale Souveränität

Zusammen mit meiner Kollegin Teresa Widlok habe ich einen Beitrag für die liberal der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zu digitaler Souveränität verfasst und warum sie so wichtig für uns in Deutschland und Europa ist.

Am Ende präsentieren wir zehn Punkte für mehr digitale Souveränität:

1️⃣ Digitale Souveränität als Moonshot-Projekt begreifen und europäisch angehen.

2️⃣ Abhängigkeiten im Bereich von Technologien und digitalen Diensten erkennen und ein umfassendes Verständnis von digitaler Souveränität etablieren.

3️⃣ Fähigkeiten-Lücken im Digitalen erkennen und (bestenfalls europäisch) Strategien aufbauen, um diese zu schließen.

4️⃣ Strategische Technologien fördern, um Abhängigkeiten entlang globaler Lieferketten zu verringern und Kompetenzen aufzubauen (z. B. bei Chips, KI, Edge- und Quantencomputing und 5G/6G).

5️⃣ Den Transfer zu marktreifen digi-talen Produkten und Technologien fördern, die das „Made in Germany“ oder „Made in Europe“ des 21. Jahrhunderts werden können.

6️⃣ Die Hoheit über physische und -logische Infrastrukturen beibehalten und fördern.

7️⃣ Weitere globale rechtliche Standardsetzung über digitale Regulierung aus der EU heraus betreiben.

8️⃣ Gemeinsam mit Partnern demokratische und menschenrechtsbasierte Werte in globale technische Standardisierungsprozesse einbringen.

9️⃣ Allianzen mit gleichgesinnten Partnern aufbauen und fördern (z. B. im Rahmen des Trade and Technology Council, TTC).

🔟 Internationale Zusammenarbeit, auch mit dem globalen Süden, auf Augenhöhe betreiben, um Entscheider bei Standards auf unsere Seite zu bringen.

Der gesamte Artikel kann hier nachgelesen werden.

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Gastbeitrag in der WAMS: Die EU-Kommission bedroht unsere Freiheit im Netz

Den folgenden Gastbeitrag habe ich zusammen mit der stv. LOAD Vorsitzenden Teresa Widlok für die Welt am Sonntag verfasst. Dort erschien er am 29. Mai 2022, bzw. in der Frühausgabe vom 28. Mai 2022.

Tempolimit, Veggie-Day, Genderstern – an vielen Stellen sehen wir Deutsche unsere Freiheit, um die wir so leidenschaftlich ringen, bedroht. Allzu oft endet das in leichtliberalen Schlagwortdebatten. Doch an einer Stelle, an der unsere Freiheitsrechte so massiv bedroht sind wie selten zuvor, ist es auffallend still: Mit der sogenannten Chatkontrolle hat die Europäische Kommission einen Gesetzentwurf vorgelegt, der unsere Kommunikationsfreiheit, unser digitales Briefgeheimnis und unsere Privatsphäre im Kern erschüttern wird.

Sollte der Entwurf verabschiedet werden, dürfte die EU-Kommission Kommunikation im Internet umfassend kontrollieren: Sämtliche Nachrichten und andere Inhalte könnten überwacht werden. Dadurch möchte die EU-Kommission Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen finden. Mit der Intention, Kindesmissbrauch zu verhindern, schafft die EU-Kommission damit aber den krassesten Fall anlassloser Massenüberwachung, den wir seit der NSA-Affäre erleben.

Nur sind es dieses Mal nicht fremde Geheimdienste, die uns bespitzeln, es ist die Europäische Union. Und selbst Kinderschutzorganisationen bezeichnen den Vorschlag zur Chatkontrolle wegen der flächendeckenden Scans privater Kommunikation als unverhältnismäßig.

Von Massenüberwachung ist im Kommissionsentwurf wortwörtlich natürlich nicht die Rede. Die „Verordnung zur Prävention und Bekämpfung der Verbreitung von Kindesmissbrauchsdarstellung“ spricht stattdessen lieber von Möglichkeiten, bestimmte Inhalte in digitalen Diensten zu erkennen und zu entfernen.

Dabei geht es nicht nur um Chats, die auf Messengern oder über Direktnachrichten geführt werden – verschlüsselt oder unverschlüsselt. Sondern auch um E-Mails, Chatnachrichten in Online-Games oder Inhalte in App Stores und bei Hosting-Anbietern jeglicher Art, wie zum Beispiel Inhalte in der Cloud.

All diese Anbieter sollen auf Anordnung automatisch bereits bekannte oder neue Darstellungen von Kindesmissbrauch durch das konstante Scannen von Nachrichten entdecken. Auch Text soll durchleuchtet und ausgewertet werden, um Grooming zu erkennen – die Kontaktaufnahme von Erwachsenen mit Minderjährigen, um sexuellen Missbrauch anzubahnen.

Fehlerquote von zwölf Prozent

Es ist allerdings völlig unklar, wie das technisch und im Detail funktionieren soll. Wie kann man bei Bildern unterscheiden, ob es sich um Strandfotos eines Kindes handelt, die aus dem Sommerurlaub in die Familien-WhatsApp-Gruppe gepostet werden – oder um Kinderpornografie? Zwischen Urlaubsfotos, auf denen Kinder nackt am Strand rumlaufen, und Kinderpornografie ist oft ein schmaler Grat. Oder wie bei Textnachrichten, ob es sich um einvernehmliches Sexting zwischen zwei 16-Jährigen handelt – oder um Grooming? Diese fundamentalen Fragen sind ungelöst.

Ohne eine weitreichende Identifizierungspflicht aller Kommunikationsteilnehmer und genaues Wissen um den Kontext, in dem ein Bild verschickt wird, liegt auch der beste Filter oder Scanner in zu vielen Fällen daneben. Der von der EU-Kommission selbst zitierte Industriestandard geht bei der Texterkennung von einer Fehlerquote von zwölf Prozent aus. Bei Milliarden von täglich versendeten Nachrichten summiert sich das schnell.

Debatten im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit finden selten auf einer objektiven Basis statt. Die Frage, ob wir mehr Freiheit oder mehr Sicherheit gewährleisten wollen oder können, lässt sich nie vollständig zufriedenstellend für beide Seiten lösen. Doch die Fraktion der Sicherheitslogik hat es mit diesem Gesetzentwurf übertrieben.

Zwar wird von allen Seiten beteuert, dass verschlüsselte Kommunikation weiterhin verschlüsselt bleiben darf. Private Kommunikation ist aber immer privat, egal ob verschlüsselt oder nicht. Digitale Bürgerrechte sind keine Bürgerrechte zweiter Klasse – auch nicht das digitale Briefgeheimnis. Der Staat dampft schließlich auch keine Briefe auf oder hört massenhaft Telefongespräche ab.

Netzaktivisten wird vorgehalten, es gehe ihnen lediglich um die Privatsphäre und nicht um den Schutz von Kindern. Das ist unfair. Auch, weil die drei üblichen sicherheitspolitischen Narrative für beide Seiten gelten können. Das erste Narrativ: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Das bedeutet, dass natürlich das Strafrecht gilt, aber ebenso Freiheitsrechte. Das Zweite: Was im Analogen gilt, muss auch im Digitalen gelten. Das Briefgeheimnis gilt also sowohl auf dem Postweg als auch im Internet.

Das Dritte: Sicherheitsbehörden müssen auf Augenhöhe mit Kriminellen agieren können. Anstatt also Ressourcen damit zu verschwenden, falschen Verdachtsmeldungen nachzujagen und bewegungsunfähig im Datenmüll zu ertrinken, sollten Sicherheitsbehörden präzise und effiziente digitale Hilfsmittel zur Verfügung stehen.

Die Meldungen der vergangenen Wochen, dass immer mehr Missbrauchsdarstellungen im europäischen Teil des Internets gefunden werden, lassen niemanden kalt. Netzaktivisten fordern daher schon seit Jahren, als solche erkannte Missbrauchsdarstellungen zu löschen, anstatt sie zu sperren und Webseiten lediglich mit einem Stoppschild zu versehen. Die Verbreitung von einmal im Netz befindlichen Bildern kann nur durch Löschen aufgehalten werden.

Es geht auch ohne neue Befugnisse

Bei aller Faszination für Technologie und der Hoffnung, dass diese gesellschaftliche Probleme löst, darf die klassische Ermittlungsarbeit nicht vergessen werden. Prominent ist etwa der Fall, den die spezielle Polizeiermittlungsgruppe „Berg“ seit Oktober 2019 in einem weitverzweigten Missbrauchskomplex ermittelt hat. Im Haus eines Mannes aus Bergisch Gladbach waren damals Unmengen kinderpornografischer Daten gefunden worden. Durch ihn stießen die Ermittler auf weitere Täter, die im Netz Videos und Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs austauschten.

Diese Erfolge zeigen, wie handlungsfähig Ermittlungsbehörden auch ohne neue Befugnisse und Meldepflichten sind. Hierfür muss Technologie flächendeckend eingesetzt werden, um etwa bei der psychisch äußerst anspruchsvollen Ermittlungsarbeit zu unterstützen und zu entlasten. Denkbar sind etwa KI-gestützte Tools zur Auswertung von Bildmaterial oder der Erkennung von Netzwerken.

Zu all dem schweigt der Kommissionsentwurf. Stattdessen stellt er private Kommunikation umfassend infrage – und um diesen Kern sollte unsere Freiheitsdebatte kreisen. Denn unsere Freiheitsrechte sind wirklich in Gefahr.

Ann Cathrin Riedel ist Vorsitzende und Teresa Widlok stellvertretende Vorsitzende von LOAD e.V. – Verein für liberale Netzpolitik.

Dieser Gastbeitrag erschien zuerst im Print der Welt am Sonntag am 29. Mai 2022 und später online auf welt.de

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